Bericht: Gabrielle Zevin am 20.3.23 im Wittwer Thalia in Stuttgart

Gabrielle Zevin musste erst zehn Romane schreiben, bis sie mit Morgen, morgen und wieder morgen nicht nur meine Aufmerksamkeit erregt hat. Ein großes und großartiges Buch, hauptsächlich über Freundschaft und Beziehungen über Jahrzehnte.

Ich komme ein paar Minuten vor Lesungsbeginn und die Etage im Wittwer ist schon gut gefüllt, aber niemand hat sich bisher in die erste Reihe getraut. Also sitze ich eine Armlänge vor Gabrielle Zevin und Andrea Husak, die die Moderation übernimmt und die deutschen Passagen lesen wird.

Wir sind der erste Stopp in Deutschland, nachdem Zevin schon in Spanien war und auch letztes Jahr mit dem Buch unterwegs sein durfte. Sie weiß, was sie tut, sie kann frei erzählen und nimmt uns mit hinter die Kulissen des Buches, aber auch grundsätzlich in ihren Kopf und ihre Art, Geschichten zu erzählen. Wir schmunzeln und hören zu, nicken und lachen. Am Ende stellen sich fast alle in die Schlange für’s signieren und Zevin nimmt sich die Zeit, mit allen ein paar Worte zu wechseln.

Danke für diesen schönen Abend, gerne wieder.

Eichborn und Wittwer Thalia haben haben mir ein Presseticket zukommen lassen.

Nur ein paar Nächte: Premierenlesung am 15.3.23

Am 15.3.23 war die Premierenlesung von „Nur ein paar Nächte“ und ich hab ein paar Tage gebraucht, um wieder richtig denken zu können. Es war so so so schön.

Bei „Immer noch wach“ war ja gar nichts möglich, weil mitten in Covid-Zeiten. Da saß ich mit Caroline Grafe im leeren Saal vor einer Kamera. Ich hab Caroline gefragt, ob sie das wieder machen würde und sie hat sofort ja gesagt. Diesmal aber saßen wir mit vielleicht 70 Menschen in der Raupe Immersatt, dem Foodsharing Café in Stuttgart. Leute standen hinten, weil es keine Plätze mehr gab! 🤯
Weil Süddeutschland meine Heimat ist, kam viel Familie, Freunde, Bekannte, ich schätze, ich kannte zwei Drittel. Und alle waren am Lächeln, alles war wohlwollend, alle waren happy. Da waren mein Vater und eine meiner Schwestern, aber auch ein paar alte Freunde aus meinem Heimatdorf, die mich seit 25 Jahren begleiten. Da waren mein Vermieter und mehrere Nachbarn, Freund:innen aus verschiedenen Phasen meines Lebens, Arbeitskolleg:innen aus verschiedenen Kontexten. Ich war am Hallo sagen und umarmen und vollkommen überdreht. Und alles hat geklappt.
Wir haben etwa 2 Stunden gemacht, inklusive Pause in der Mitte. Ein bisschen gelesen, ganz viel geredet und gelacht, der Prosaroboter war dabei und hat fleißig gedruckt. 🥰
War echt wie ein guter Geburtstag, aber ich muss nicht darauf achten, ob die Leute was zu trinken haben. Ich musste mehrmals an die Release-Party meines allerersten Romans denken, „Das Leben ist ein Erdbeben und ich stehe neben dem Türrahmen„, damals noch im Selfpublishing. Wir haben die Party im Kinosaal der Filmgalerie 451 gefeiert und es war ein ähnlich voller und schöner Abend.
Und war natürlich auch komisch, weil mein Vater da war und ich auch ein bisschen über ihn und uns geredet habe, weil ja ein guter Teil des Buches von unserer Beziehung inspiriert ist. Aber auch das hat gut geklappt. Und danach durfte ich Bücher signieren und danke sagen, weil es Menschen gefallen hat. Ich bin da vorgestern Abend strahlend, dankbar und demütig aus dem Laden geschwebt und dieses Gefühl ist immer noch da. ❤️
War ein richtig schöner Abend. Mit so viel Liebe. Wow.

Danke an die Raupe, an Caroline und an Janka Pörksen, die nicht nur den Büchertisch gemacht hat, sondern auch die Fotos. Und danke an alle, die waren oder kommen wollten. Ich würd’s sofort nochmal machen.

Ein paar Bilder und eine kürzere Fassung des Textes gibt’s auf Instagram. Signierte Exemplare gibt’s bei Pörksen.

Roman: Morgen, Morgen und wieder Morgen von Gabrielle Zevin

Bevor Mazer sich als Mazer neu erfinden sollte, war er Samson Mazer, und davor hieß er Samson Masur.

Der erste Satz aus Morgen, Morgen und wieder Morgen

Sadie und Sam lernen sich im Krankenhaus kennen, er mit kaputtem Bein, sie als Besucherin, beides Kinder, beide gelangweilt. Aber da ist die Nintendo im Wartezimmer. So beginnt diese Freundschaft zwischen den Beiden und dann begleiten wir sie über Jahrzehnte. Inklusive aller Tiefen, Missverständnisse und ungesagter Dinge.

Für mich war es das Schönste, die Freundschaften in diesem Buch zu begleiten, wie sie in den Jahren auseinanderdriften und wieder zusammenkommen. Wie oft ich gedacht habe, „ich kenne das so sehr“.

Ich hab die Geschichte gern und schnell gelesen, mehr als 550 Seiten, die wir mit Sadie und Sam und Marx und all den anderen verbringen, plus Videospiele und dieses nostalgische Erkennen von Dingen aus den 90ern. Macht Spaß, aber schmerzt genauso, wenn das Leben den Leuten Schicksalsschläge vor die Füße wirft. Und dann klappst du das Buch zu und bist irgendwie traurig, weil es rum ist.

Was mich ein wenig stört, im Buch, aber auch in der Diskussion um das Buch, dass es heißer gekocht wird, als es eigentlich ist. Auf dem Klappentext steht „Rivalitäten“, im Buch kommen Phrasen wie „[…]aber zu dem Zeitpunkt haben sie schon Jahre nicht mehr miteinander gesprochen[…]“. Ja, Sadie und Sam reden manchmal nicht miteinander. Und wir können das alle nachvollziehen, weil wir solche Situationen auch haben. Das macht die Geschichte ja so gut. Aber es ist nie diese Rivalität, nie dieses ganz große Auseinanderbrechen, dass angedeutet wird.

Hätte nicht sein müssen. Trotzdem: Tolles Buch und ich bin gespannt auf die Verfilmung.

Morgen, Morgen und wieder morgen von Gabrielle Zevin wurde übersetzt von Sonia Bonné und erschien bei Eichborn. Der Verlag hat mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.

DAS DEBÜT 2022: MEINE JURYENTSCHEIDUNG

Jahr Sieben als Jurymitglied für den Bloggerpreis von das Debüt. Jedes Mal darf ich neue Literatur und neue Menschen kennenlernen. Hier meine Entscheidung für dieses Jahr:

Das beste Cover und der beste Titel gehen an 153 Formen des Nichtseins von Slata Roschal. Von allen Büchern war das das, nach dem ich intuitiv gegriffen hätte. Gibt leider keine Punkte, wollte ich aber erwähnt haben. Nun zum Inhalt und den Punkten.

Platz 1: Nordstadt von Annika Büsing
Weder Cover, noch Titel (und ehrlicherweise auch nicht der Verlag) hätten mich nach dem Buch greifen lassen. Aber Annika Büsing legt mit Nordstadt ein schmales Buch mit klarer und moderner Sprache hin, das im richtigen Sinne weh tut. Sie erzählt diese Beziehung zwischen der jungen Bademeisterin und dem humpelnden Jungen auf eine düstere und nüchterne Art, die mir wirklich nahe gekommen ist. Ich liebe die Sprache, die Blickwinkel, die Geschichte, und wünsche mir, dass so viele Menschen dieses Buch noch finden. Platz 1.
Aber! Es war knapp.

Platz 2: Liebe ist gewaltig von Claudia Schumacher
Da musste ich heftig überlegen. Weil auch Claudia Schumacher extrem modern schreibt und vielleicht sogar schmerzhafter als Annika Büsen. Auch Liebe ist gewaltig tut weh, bricht Fassaden ein und hat mich sehr in den Bann gezogen. Leider hat mich das letzte Drittel ein bisschen aus der Bahn geworfen, deshalb ist es zwar auch ein wirklich wichtiges und großartiges Buch, aber diesmal nur auf Platz 2.

Platz 3: Ist hier das Jenseits, fragt Schwein von Noemi Somalvico
Noemi Somalvicos Buch war das letzte, das ich gelesen hatte und traf mich mit ihrer skurrilen Fabel wie ein Taxi von links. Somalvico erzählt von Tieren und Gott und dem Jenseits, aber eigentlich nur auf großartige und (Achtung, Wortspiel!) fabelhafte Weise von uns. Ich bin schmunzelnd und nachdenklich durch den Text gerauscht und war traurig, als es vorbei war.

Ich fand das ein sehr starkes Jahr mit großartigen Entdeckungen, die ich sonst nicht gemacht hätte. Danke für diese Bücher. Bis zum nächsten Mal.

Essay: Wenn das Wasser kommt, von Rutger Bregman mit Susanne Götze

Es gibt eine Geschichte, die erzählt werden muss, und sie muss jetzt erzählt werden. Es ist die Geschichte von Johan van Veen. Ingenieur. Vater des Deltaplans. Einer der bedeutendsten Niederländer aller Zeiten.
Und doch kenn ihn kaum jemand.

Der erste AbSatz aus Wenn das Wasser kommt

Ich hab Im Grunde gut von Rutger Bregman sehr gemocht und Utopia for realists liegt hier auf einem Stapel neben mir. Deshalb wollte ich diesen Essay lesen. Ein kleines Büchlein, wie der blaue, edle große Bruder von Reclam Büchlein. Bregman gibt diesem diffusen Ding Klimawandel eine sehr greifbare Geschichte, wirft diesen nachdenklichen Blick in die Vergangenheit der Niederlande, verknüpft ihn mit aktuellen Ereignissen und warnt ganz klar und nicht leugbar vor den Gefahren, denen wir ausgesetzt sind.

64 Seiten, die schnell gelesen sind und wirklich lange nachhallen. Nachhaltig gedruckt, mit Hardcover. Und das ist das größte Problem des Essays: Sein Preis. Ich denke, alle sollten dieses kleine Büchlein lesen. Aber ich glaube, es ist zu teuer, um wirklich groß rumzukommen. Vielleicht wäre es in dem Fall sinnvoller gewesen, das Büchlein gern nachhaltig, aber so günstig wie möglich zu produzieren, ein kleines Taschenbuch, das wirklich in jede Tasche passt und einfach an der Kasse mitgenommen wird. Vielleicht sehen wir das ja noch. Wäre toll.

Wenn das Wasser kommt von Rutger Bregman mit Susanne Götze, wurde übersetzt von Ulrich Faure und erschien bei Rowohlt. Der Verlag hat mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.