Die Barmer und das Glück in der Hand

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Ich bin nicht bei der Barmer, aber mag den Post. Weil ich glaube, dass wir mehr über Masturbation reden (können) sollten. Mich treibt das Thema schon eine Weile um und ich schrieb mal einen Vortrag drüber, den ich bis heute so nicht halten konnte. Hier ist der Text. Viel Spaß.

Hand hoch, wer von euch Masturbiert?
(Falls wenige: Statistiken sagen, dass 85 bis 95 % es tun, also entweder seid ihr als Gruppe eine Anomalie oder ihr lügt)
In diesem Fall, hallo ihr Wichser. Hört sich komisch an, nicht? Und das ist Teil des Problems. Seit Monaten trage ich dieses Thema mit mir rum und ich nenne es das Glück in der Hand. Vor kurzem hatten wir es bei der Arbeit davon und eine Kollegin fragte mich, wann ich denn das letzte Mal masturbiert hätte und ich sagte, heute morgen, unter der Dusche. Und sie sagte, ach, schade, dafür hatte ich heute morgen keine Zeit. Ich glaube, dass wir so offen mit Selbstbefriedigung umgehen können sollten. Hier kommt nämlich der Kniff: Das ist kein Alltag und selbst ich fühle mich komisch bei solchen Gesprächen.
Wir tun so, als sei sich einen oder eine runterzuholen schon längst enttabuisiert. Intellektuell wird das Thema regelmäßig durch die Zeitungen und Portale gereicht und wir sind ach so offen, was die Selbstbefriedigung angeht.
Sind wir eben nicht. Weil es im Intellektuellen bleibt und nicht Teil unseres Alltags ist. Wir haben verstanden, dass Masturbation nicht schlimm ist, weder blind macht noch das Rückenmark aussaugt. Aber wir können nicht akzeptieren, dass es alltäglich und sogar gut für uns ist. Uns uns selbst bewusster macht und Prostatakrebsrisiko und Blasenentzündungen verringern, unter anderem.
Der Wichser bleibt ein Schimpfwort. Uns ist es peinlicher, beim Masturbieren erwischt zu werden, als beim Sex. Es gibt einen großen Skandal, wenn an der Uni Bielefeld der theoretisch praktische Kurs ‚Möseale Ejakulation‘ angeboten wird. Und ob ‚eine Wichsvorlage sein‘ ein Kompliment ist, hängt davon ab, wer sich uns vorstellt.
Was sind wir für eine Gesellschaft, in der wir fast alle Solo-Sex haben, es gleichzeitig aber schambehaftet ist? In der wir es jeder und jedem sich selbst überlassen, sich und seine Vorlieben kennenzulernen. Wie soll ein Miteinander funktionieren, wenn wir nicht darüber reden, wie das Alleine klappt?
Ich glaube, das Schweigen über Masturbation ist der Gipfel eines ganzen Berges von Problemen wie Pornosucht, verschobenes Frauenbild, Emanzipation und vielem mehr. In einer Welt, in der Pornos noch vor dem ersten Kuss verfügbar sind, müssen wir offener darüber reden können, wie wir uns und unseren Körper kennenlernen, müssen wir die Unterschiede zwischen Lustfantasie und Alltagsliebe klarer machen, anstatt fast jeden Menschen jahrelang mit sich und seinen Trieben im Unsicheren zu lassen, bis er versteht, dass er nicht alleine, nicht abnormal, nicht ‚falsch‘ ist.
Ich glaube noch nichtmal, dass wir durch einen offeneren Dialog über Masturbation die oben genannten Dinge lösen können. Ich glaube auch nicht, dass jeder unbedingt masturbieren muss, ist jedem vollkommen freigestellt. Und ich glaube nicht, dass wir unbedingt über Masturbation reden müssen. Ich muss im Büro oder in der Uni nicht lautstark verkünden, dass mir gerade alles zu stressig ist und ich mir deshalb jetzt einen runterholen gehe. Je nach Studie machen das übrigens 40% aller Arbeitnehmer. Es baut tatsächlich Stress ab und macht produktiver. Ich muss nicht drüber reden. Aber ich will zumindest die Möglichkeit haben.
Vielleicht finden wir über eine praktische, ganz alltägliche Offenheit, ganz unabhängig von Intellekt und reißerischen Headlines, einen anderen Weg, unsere Beziehungen – Männer zu Frauen, Individuum zu Individuum, aber vor allem zu uns selbst – neu zu verstehen.

Seit ich verstärkt mit Leuten über dieses Thema rede, bekomme ich alle möglichen Reaktionen, von Scham und Schweigen über Neugierde und Begeisterung bis hin zur Ablehnung, weil das ja schon durch sei, seit den 68ern. Aber gleichzeitig habe ich in diesen letzten Monaten über Masturbation, über Sex und Beziehungen, über Respekt und über mich selbst mehr gelernt, als in den 20 Jahren Praxis davor.
Und das ist doch, in jedem Sinn, ganz schön geil, oder?

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