Autor: Fabian Neidhardt (Seite 1 von 360)

Roman: Momo von Michael Ende

In alten, alten Zeiten, als die Menschen noch in ganz anderen Sprachen redeten, gab es in den warmen Ländern schon große und prächtige Städte.

Der erste Satz aus Momo

Vor langer Zeit in einem warmen Land taucht da plötzlich dieses Mädchen auf, mit großen schwarzen Locken und großen schwarzen Augen, die dir direkt in die Seele gucken, wenn sie dir zuhört.

Momo ist vor 40 Jahren veröffentlich worden, schon damals als zeitloses Märchen und das ist wahrscheinlich einer der Gründe, warum dieses Buch auch heute noch so gut funktioniert. Weil wir heute mehr denn je in einer Welt leben, in der Zeit und Aufmerksamkeit immer knapp sind. Und wie bei jedem guten Kinderbuch resoniert es auch nach all den Jahren immer noch in mir.

So viele Gedanken, die Michael Ende sich vor 40 Jahren gemacht hat, sind immer noch relevant, spielen in meinem normalen Alltag eine Rolle. Ich wünsche mir eine Momo in meinem Leben und ein bisschen mehr von Momo in mir. Und die Stärke, mich gegen die grauen Herren zu stemmen, in welcher Form auch immer sie kommen.

Momo von Michael Ende erschien bei Thienemann.

Roman: Nordstadt von Annika Büsing

„Ich liebe dich“, sage ich.

Der erste Satz aus „Nordstadt

Ich hätte nicht freiwillig zum Buch gegriffen. Titel und Cover haben mich nicht angesprochen und mit Steidl habe ich bisher andere Bücher in Verbindung gebracht. Aber im Rahmen meiner Juryarbeit bei Das Debüt lag dieses kleine Büchlein plötzlich auf meinem Tisch. Also dann, aufgeschlagen.

Ich hab die Lektüre zwar ein paar Mal unterbrechen müssen, aber tatsächlich fühlt es sich an, als ob Annika Büsing mich mit ihrer Geschichte und ihrer Sprache vollkommen in den Bann gezogen und nach einem wilden Ritt wieder ausgespuckt hat. Nene ist Anfang 20 und Bademeisterin, und das ist vielleicht das einzig Gute in einem richtigen Scheißleben. Und dann steht da Boris, der Krüppel mit einem eigenen Scheißleben. Reicht das, was auch immer zwischen ihnen ist, um zwei schlimme Vergangenheiten auszuhebeln?

Büsings Sprache ist direkt und dreckig, ist ehrlich und schmerzhaft im besten Sinn.

Nordstadt geht unter die Haut und beschäftigt mich noch Wochen später. Ich freue mich auf mehr solcher Geschichten und auf noch mehr von Annika Büsing. Ein Glück ist das neue Buch schon draußen.

Nordstadt von Annika Büsing erschien bei Steidl. Der Verlag hat mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.

Hörbuch: Was im Dunkeln liegt von Harlan Coben, gelesen von Gabriele Blum und Detlef Bierstedt

Im Alter von etwa vierzig bis zweiundvierzig Jahren – er wusste nicht genau, wie alt er war – fand Wilde endlich seinen Vater.

Der erste Satz aus Was im Dunkeln liegt.

Ich hab mich so gefreut auf dieses Buch. Der Junge aus dem Wald war großartig und nach einer Weile konnte ich auch Detlef Bierstedt gut zuhören. Wilde ist ein toller Charakter und ich wollte unbedingt wissen, wie es weitergeht.

Jetzt gibt es diesen zweiten Teil. Wilde, der Junge aus dem Wald, findet endlich seine Wurzeln. Denkt er zumindest. Und es gibt einen neuen Fall, bei dem er helfen muss. Und natürlich ist dieser Fall auch irgendwie mit ihm verbunden.

Ich mag Harlan Coben und seine Geschichten, besonders als Hörbücher. Und ich will auch diese mögen. Aber irgendwie werde ich diesmal weder mit der Geschichte noch mit Detlef Bierstedts Leistung als Sprecher warm. Gabriele Blum macht ihre Sache wunderbar, aber Bierstedt, der mir schon vor zwei Jahren müde oder erschöpft vorkam, kommt mir vor, als kämpft er sich durch das Buch. Ich hab Bierstedt vor zehn Jahren bei einer Primavista-Lesung mit Oliver Rohrbeck gesehen und ich mag ihn als Mensch und auch seine Sprechkunst. Es tut mir auch wirklich leid, aber ich finde, man hört ihm mittlerweile das Alter und eben eine gewisse Müdigkeit an, die einem Text nicht gerecht wird. Das ist wirklich schade. Und dazu kommt, dass die Geschichte diesmal auch nur okay ist. Während mir vom ersten Buch immer noch einiges in Erinnerung ist, habe ich von diesem – obwohl es mit ganz vielen aktuellen Bezügen arbeitet und Dinge wie Trolle und Hass im Internet thematisiert – kaum mehr was im Kopf. Dafür war es einfach nicht gut genug. Wirklich schade. Natürlich werde ich mir den nächsten Teil auch anhören, aber ich freue mich auf eine bessere Geschichte als dieses Mal.

Was im Dunkeln liegt von Harlan Coben, übersetzt von Gunnar Kwisinski und gesprochen von Detlef Bierstedt und Gabriele Blum, erschien bei der Hörverlag.

Hörbuch: Treue von Hernan Diaz, gelesen von Stephan Schad, Johann von Büöow, Sabine Arnhold und Valery Tscheplanowa

Da er von Geburt an annähernd jeden erdenklichen Vorteil genossen hatte, blieb Benjamin Rask als eines von wenigen das Privileg eines heldenhaften Aufstieges versagt: Seine Geschichte war keine zäher Hartnäckigkeit, keine Chronik eines unbezwinglichen Willens, der sich aus wenig mehr als altem Blech ein goldenes Schicksal schmiedete.

Der erste Satz aus Treue.

Ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, worauf ich mich einließ. Hatte gehört, dass das Buch gut sein soll, hab mir keinen Klappentext durchgelesen, sondern bin direkt in das Hörbuch eingestiegen und in diese Welt von Benjamin Rask und seiner Geschichte über Aktien und Geld und Macht im Amerika Anfang des letzten Jahrhunderts. Spannend erzählt, ja, aber was genau höre ich da eigentlich? Und warum höre ich nach ein paar Stunden die Lebensgeschichte von Andrew Bevel, die sich erstaunlich ähnlich anhört wie jene, die ich von Rask gehört habe? Erst im dritten Viertel wird mir klar, dass es immer um den gleichen Menschen geht, nur eben immer aus anderen Blickwinkeln. Und das macht den Reiz des Buches aus, so klar gezeigt zu bekommen, wie sehr sich eine Geschichte ändert, je nachdem, wer sie erzählt. Treue ist kein Buch, dessen Inhalt leicht erzählt werden kann. Weil es nicht nur um die Geschichte geht, sondern auch um die Erzählform. Ich weiß nicht, ob ich es in geschriebener Form durchgehalten hätte. Aber Valery Tscheplanowa, Sabine Arnhold, Johann von Bülow und Stephan Schad hauchen den vier Teilen so ein schönes Leben ein und verkörpern den Inhalt auf großartige Weise, dass ich gar nicht anders kann, als dran zu bleiben. Hernan Diaz erzählt weniger eine einzigartige Geschichte, als dass er gleich mehrere Mythen aufbricht und Wahrheit neu beleuchtet. Ein nicht ganz einfacher, aber großartiger Roman, den ich besonders in der Hörfassung sehr empfehlen kann.

Treue von Hernan Diaz wurde übersetzt von Hannes Meyer, gesprochen von Valery Tscheplanowa, Sabine Arnhold, Johann von Bülow und Stephan Schad und erschien bei Argon. Der Verlag hat mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.

Nur ein paar Nächte: Termine

15.3. Premierenlesung in der Raupe Immersatt in Stuttgart. War großartig.

24.4. Lesung bei der Österreichischen Gesellschaft für Literatur in Wien. Stream zum Nachsehen.

30.4. Lesung auf der Leipziger Buchmesse. War toll.

16.5. Abends im Botnanger Buchladen, gibt nur noch wenige Restkarten.

18.5. Kulturbrunch und Lesung im Labyrinth Café in Stuttgart. Bitte Anmelden.

25.5. Abends im Kultur Kiosk in Stuttgart mit Sara Dahme.

09.6. Abends im Garnisonsschützenhaus in Stuttgart, organisiert vom Stuttgarter Schriftstellerhaus.

11.6. vormittags in der Kulturapotheke in Calw. 

Ich freue mich auf jeden dieser Termine und auch auf euch!

PS: Wenn noch jemand Bock auf eine Lesung hat, meldet euch gern und wir kriegen irgendwas hin.