Machen wir’s kurz: Seit knapp 20 Jahren lese (und höre) ich Stephen King und immer wieder bin ich neu begeistert. Dabei sind es manchmal knapp 1500 Seiten, manchmal nur 64. Blutige Nachrichten beinhaltet vier Novellen, und wie seit Jahren liest David Nathan auch diese. Allein seine Stimme bringt mich zurück in die Welten von Stephen King, der immer noch so extrem produktiv ist. Alle vier Geschichten sind mindestens gut und unterhaltsam, aber die kürzeste, Chucks Leben, ist sofort zu einer meiner liebsten Geschichten von King geworden.
Allein für diese lohnt sich diese Sammlung sehr. Und wie immer bei Stephen King: Je mehr du von ihm kennst, desto größer sind die Welten, die er baut. Hoffentlich tut er das noch eine ganze Weile.
Blutige Nachrichten von Stephen King wurde übersetzt von Bernhard Kleinschmidt und gelesen von David Nathan und erschien bei Heyne. Der Verlag hat mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.
Ich fange nicht gern mit einer Rechtfertigung an – wahrscheinlich gibt es dagegen sogar eine Regel wie die, einen Satz nie mit einer Präposition enden zu lassen -, aber nach dem Durchlesen der 30 Seiten, die ich bisher geschrieben habe, glaube ich, das tun zu müssen.
Über diesen Anfang musste ich erstmal hinwegkommen. Wie über den Titel, der sich mir bis jetzt nicht richtig erschließt. Aber dann.
Jamie kann tote Menschen sehen und mit ihnen reden, zumindest eine kurze Zeit nach ihrem Ableben. Als der größte Autor seine Mutter (Literaturagentin) zu früh stirbt, muss er aus ihm den Rest des letzten großen Romanes rausbekommen, bevor es zu spät ist. Damit geht’s los.
Stephen King nimmt die Idee von 6th Sense und spinnt sie weiter, auf seine Art. Seit knapp 20 Jahren lese ich ihn und ich bin regelmäßig begeistert, wie King immer wieder neu erzählt und ausprobiert. Gleichzeitig aber behält er einen eigenen Ton, der ganz oft auf Augenhöhe mit den Leser:innen ist, und er erzählt immer wieder aus einem verknüpften Universum: Je mehr ich von King kenne, desto toller funktionieren die Geschichten durch ihre Anspielungen und Referenzen.
Später war für mich ein Buch für einen Tag. Aufschlagen, über diesen komischen Anfang kommen, komplett eintauchen und ein paar Stunden später wieder zuschlagen. Ich mag Jamie, auch weil er mich an Kings andere junge Protagonist:innen erinnert. Ich mag auch die Geschichte, sie macht Spaß und Gänsehaut in richtigem Maß. War ein guter Tag dank des Buches. Es gibt noch ein paar bessere Geschichten von Stephen King, aber seit mehreren Jahrzehnten schafft er es immer wieder neu, mich zu überraschen und sehr gut zu unterhalten. Ich bin gespannt, was da noch kommt.
Später von Stephen King wurde übersetzt von Bernhard Kleinschmidt und erschien bei Heyne. Der Verlag hat mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.
Das Zivilfahrzeug war ein unauffälliger, schon etwas älterer PKW, aber die breiten schwarzen Reifen und die drei Insassen verrieten, worum es sich handelte.
Ein vergewaltigter und ermordeter Junge, ein Tatort voller Fingerabdrücke und DNA und eine ganze Menge Zeugen. Aus der Sicht der Polizisten ein ganz klarer Fall. Aber wir erleben diese Geschichte auch aus der Sicht des Verdächtigen und wissen, dass er es nicht war. Er kann es sogar beweisen.
Achtung, ab hier mögliche Spoiler.
Stephen King beginnt die Geschichte wie einen Krimi und mischt im Laufe des Buches das Kingesque immer weiter dazu. Eigentlich ja plump. Ich folge der Geschichte, weil ich wissen will, wie das bitte sein kann, dass der Verdächtige scheinbar an zwei Orten gleichzeitig war und nichts von der Tat weiß. Dass die Lösung etwas Übernatürliches beinhaltet, würde ich vielen anderen Autor*innen nicht verzeihen, würde mir dabei ausgetrickst vorkommen.
Aber es ist Stephen King und ich wusste, worauf ich mich einlasse. Und es funktioniert. Nicht nur, weil es Stephen King ist, sondern auch, weil in der Geschichten Protagonisten vorkommen, die noch ungläubiger sind als ich und ich spätestens mit ihnen langsam an das Übernatürliche heran tasten kann. Nicht, dass ich es brauche, aber ich könnte.
Regelmäßig habe ich bei Stephen King das Gefühl, dass er seine Sonderposition (Stephen King zu sein) nutzt, um Dinge auszuprobieren, die man als ’normaler‘ schreibender Mensch niemals bei einem Verlag durchkriegen würde. In diesem Roman spielt King mit den Erzählperspektiven. Nicht zum ersten Mal, beispielsweise hatte Der Buick mehrere Ich-Erzähler, die teilweise innerhalb eines Satzes wechselten. Diesmal schafft King es gerade durch die wechselnden Perspektiven, dass ich sowohl dem Polizisten, als auch dem Verdächtigen glaube, obwohl es gleichzeitig nicht sein kann.
Dazu kommen auch solche Sachen dazu, dass King einen Hauptprotagonisten in der erste Hälfte des Romans sterben lässt und in der zweiten Hälfte dafür eine Hauptprotagonistin einführt.
Ich habe nicht nur eine tolle Geschichte, ich werde in meiner Erwartung immer wieder gebrochen, auf verspielte und schöne Art. Und ich kriege es von David Nathan vorgelesen, was sich sowieso fast immer lohnt.
Eine Sache, die mich in der sonst sauberen Übersetzung von Bernhard Kleinschmidt gestört hat ist der fast schon penetrante Verzicht des Genitivs. Ich kann verstehen, dass Protagonisten nicht zwingend einen Genitiv nutzen, aber in diesem Roman tut das auch der Erzähler. Wenn ich Herrn Kleinschmidt begegne, frage ich ihn, ob das Absicht war.
Ich lese nicht alle Bücher von Stephen King, einerseits aus Zeitmangel, andererseits, weil mich nicht alle Themen interessieren. Dieses hier ist großartig und funktioniert auch für Menschen, die noch nie Stephen King gelesen haben. Sofern sie mit Übernatürlichem leben können.
Der Outsider von Stephen King wurde übersetzt von Bernhard Kleinschmidt, gesprochen von David Nathan und erschien bei Random House Audio. Der Roman erschien bei Heyne.
Hubert Vernon Rudolph Clayton Irving Alva Anton Jeff Harley Timothy Curtis Cleveland Cecil Ollie Edmund EliWiley Marvin Ellis Espinoza war zu alt, um auf einer kommunistischen Party zu sein.
In einer Welt, in der man fast alles mit Sonnen- und Windenergie, einem 3D-Drucker und den richtigen Plänen ausdrucken kann, sind Programme, Pläne und Lizenzen das große Geschäft. Ein paar wenige verdienen daran richtig gut, alle anderen krebsen herum.
Hubert, Seth und Natalie beschließen, diese Gesellschaft hinter sich zu lassen und wegzugehen (‚Walkaways‘). Aber die Gesellschaft findet das gar nicht so cool.
Eigentlich ist es egal, worum es geht. Seit knapp zehn Jahren inspirieren und unterhalten mich Cory Doctorow und seine Romane. Er schreibt keine literarischen Meisterwerke, aber unterhaltsame, intelligente Geschichten, die sehr nah an unserer Realität liegen und oft sowas wie Bedienungsanleitungen für unser digital geprägtes Leben sind.
Homeland geht ein paar Jahre weiter in die Zukunft, eine Weiterentwicklung der Gedanken in Little Brother und besonders in Makers.
Doctorow schreibt einfach und spaßig, sodass ich schnell durch die 700 Seiten komme. Dennoch ist der Inhalt extrem komplex und regt zum Denken an. Wie wollen wir in Zukunft leben? Welche Möglichkeiten geben uns all die Dinge, die sich immer weiter in unseren Alltag drängen? Und wie gehen wir mit ihnen um? Zwischen zwei Serien kann man dieses Buch sehr gut konsumieren, sich Gedanken machen und sich unterhalten lassen.
Eigentlich schon genug gesagt über dieses Buch. Aber Doctorow macht in diesem nebenbei eine ziemlich spannende Sache: Der Aufbruch jeglicher Heteronormativität. Junge trifft auf Mädchen trifft auf Mädchen trifft auf Hermaphrodit und wieder zurück. Dass eine der Hauptfiguren schwarz ist, wird nach Dreiviertel des Romanes im Nebensatz erwähnt. All diese Vielfalt geschieht ohne Kommentar und ist so selbstverständlich, dass es mir – in unserem Alltag und unserer aktuellen Gesellschaft – auffällt. In einer ganz skurrilen Art. Weil ich nicht will, dass diese Vielfalt, diese Pannormativität irgendetwas anderes ist, als Normalität. Wir als Gesellschaft aber noch nicht so weit sind.
Ähnliches macht Doctorow auch mit Genussmitteln. Die Protagonisten des Buches rauchen immer mal wieder Meth und ich zucke beim Lesen zurück und warte auf irgendeine Erläuterung, irgendeine Erklärung oder Warnung oder sonst was, die aber nie kommt.
Noch eine andere Sache muss ich erwähnen, weil sie mich extrem, wirklich extrem genervt hat: Die deutsche Ausgabe des Romans hat einen riesigen Patzer im Klappentext. Es gibt drei oben genannte Hauptfiguren in diesem Roman: Natalie, Seth und Hubert. Hubert hat 20 Vornamen und wird deshalb Hubert Ecetera genannt. Im englischen Klappentext steht also:
In a world wrecked by climate change, in a society owned by the ultra-rich, in a city hollowed out by industrial flight, Hubert, Etc, Seth and Natalie have nowhere else to be and nothing better to do. (…)
Auf der deutschen Ausgabe steht:
(…) Vier ungleiche Helden machen sich auf den Weg in die Wildnis. (…)
Ich habe 700 Seiten gelesen, immer irritiert und in der Erwartung, wann endlich diese vierte Person auftaucht. Nur um danach zu verstehen, dass dies schlicht falsch ist. Das hat eigentlich nichts mit dem Roman zu tun, beeinflusst das Leseerlebnis aber extrem. Auf eine Art, die nicht sein muss.
Walkaway ist eine spannende Zukunftsvision, utopisch und dystopisch zugleich, die leicht zu lesen und schwer zu verdauen ist. Ein Buch, dass seine Sache richtig gut macht, mal vom deutschen Klappentext abgesehen.
Walkaway von Cory Doctorow wurde übersetzt von Jürgen Langowski und erschien bei Heyne. Der Verlag hat mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.
Ich sprang über das graue, staubige Gelände zur riesigen Wölbung der Conrad-Blase.
Jazz lebt in Artemis, in der einzigen Stadt auf dem Mond, eigentlich nicht mehr als eine Raumstation für 2000 Einwohner und die Touristen. Jazz ist die geduldete Schmugglerin und alles ist einigermaßen okay, bis sie sich als Saboteurin versucht und dann alles schief geht.
Ich mochte Der Marsianer sehr und wollte unbedingt den kommenden Roman von Andy Weir lesen. Hätte ich Artemis mit diesem Cover irgendwo stehen sehen, hätte ich es erstmal stehenlassen. Anfangs konnte ich weder mit dem Bild noch mit der Schrift etwas anfangen und besonders der extrem große Hinweis auf das Vorgängerbuch macht jede schöne Gestaltung kaputt. Aber ich kann es nachvollziehen, weil niemand was mit dem Namen Andy Weir anfangen kann. Dafür ist er noch viel zu unbekannt. Wieso also nicht nicht die Bekanntheit des Vorgänger nutzen? Je länger ich das Buch aber in den Händen halte, desto besser gefällt mir das Cover.
Die Geschichte ist, wie der Marsianer auch, literarisch nicht anspruchsvoll, aber sehr spannend, unterhaltsam und gut runterzulesen. Ich ahne den Einfluss des Lektors, Weir hält sich bei den technischen und physikalischen Erklärungen mehr zurück als beim Marsianer und schafft eine schöne Balance zwischen Unterhaltung und Wissensvermittlung. Ich begleite Jazz gern durch ihre Welt, durch die Aufdeckung des Komplotts auf dem Mond und die Sorgen, die unseren auf der Erde erstaunlich ähnlich sind. Einzig ihre schnoddrige Art wirkt mir manchmal zu plump. Zu künstlich. Dann kommt mir Jazz vor, wie die Frau, die sich Männer gerne vorstellen.
Trotzdem, ich brauche nur wenige Tage für das Buch und bleibe lächelnd zurück, vorfreudig auf den kommenden von Andy Weir und die garantierte Verfilmung von Artemis.
Artemis von Andy Weir wurde übersetzt von Jürgen Langowski und erschien bei Heyne. Der Verlag hat mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.