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Roman: Zeit der Wildschweine von Kai Wieland

Ich nahm damals Unterricht im Kickboxen, weil ich ohnehin wie ein Kämpfer aussah.

Der erste Satz aus Zeit der Wildschweine

Leon ist Reisejournalist und nimmt den durchgeknallten Fotografen Janko mit auf eine Tour durch französische Lost Places – immer auf der Flucht vor dem eigenen Leben in der Provinz.

Schon im ersten Kapitel bettet Kai Wieland seinen Roman in Popkultur ein. Janko trägt sie als Tattoos über seinen ganzen Körper und Janko reagiert nie so, wie Leon oder wir es erwarten. Personalisierung des Zwiespalts, die sich durch Leon und den Roman zieht.

Kai Wieland erzählt klar und geradeheraus eine Geschichte, an die ich mich erst herantasten muss. Weil viel im ersten Drittel total gewöhnlich, fast überlesbar ist und ich mich wundere, was das da soll. Bis ich im zweiten Drittel – mitten in den fremden Ländern und Orten und zwischen faszinierenden Personen – verstehe, dass genau das „unser“ Problem ist. Unsere Begeisterung für Außergewöhnliches, die es uns erlaubt, uns vor den Dingen, die unsere Leben im Alltag prägen, wegzulaufen. Und dass es eben nicht nicht überlesbar ist, das erste Drittel. Sondern das, worauf es, wenn wir all die kurzen Kicks hinter uns lassen, ankommt.

Zeit der Wildschweine erzählt klar und schnörkellos den Zwiespalt zwischen Abenteuer und Alltag und wie der eine oder die andere damit umgehen.

Zeit der Wildschweine von Kai Wieland erschien bei Klett-Cotta. Der Verlag hat mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Transparenz: Kai und ich kennen uns, was mich im besten Fall ehrlicher und unbarmherziger macht.

Buch: Der Fall von Gondolin von J.R.R. Tolkien, herausgegeben von Christopher Tolkien

Endlich wieder Mittelerde! Und dann auch noch Illustriert von Alan Lee. „Der Fall von Gondolin“ ist das wahrscheinlich letzte von Christopher Tolkien herausgebrachte Werk seines Vaters, der Mann ist mittlerweile 94 Jahre alt, und erzählt die Geschichte des Menschen Tuor auf seiner Suche nach der geheimen Elbenstadt Gondolin.

Bekannt ist dieses Epos schon aus dem „Silmarillion“ und den „Nachrichten aus Mittelerde“, jedoch werden uns im vorliegenden Band alle Fassungen der Geschichte präsentiert, kommentiert und in Tolkiens Lebensgeschichte eingeordnet.

Die Idee ist nicht neu, Christopher Tolkien hat schon bei „Die Kinder Húrins“ und „Beren und Lúthien“ diese Art der Veröffentlichung angewandt. Sie funktioniert. Wissenschaftlich fundiert und liebevoll werden die unterschiedlichen Texte in ihren  Mittelerdekontext eingeordnet und ergeben in ganz unterschiedlicher Sprachqualität ein detailliertes Bild von Tolkiens Arbeit und dessen schriftstellerischer Entwicklung.

Kann man dieses Buch als Mittelerdeneuling genießen? Nein! 

Durchgängige Querverweise auf weitere Werke des Autors, selbstverständliches Erwähnen von etablierten Charakteren und die selbe Geschichte in acht Fassungen und ihren unterschiedlichen Enden sind nur für Tolkienfans ein Genuss.

Für alle, die Spaß am „Silmarillion“ hatten und die sich gern mit Literaturanalyse beschäftigen, ist „Der Fall von Gondolin“ aber auf jeden Fall ein Erlebnis. Gerade durch die unterschiedlichen Fassungen taucht man in Tolkiens Phantasie ein und fühlt, wie sehr ihm die Figuren mit jeder Version mehr ans Herz wachsen.

Solltet ihr nur durch das Schauen der Herr der Ringe Filme bewogen worden sein, das Buch zu kaufen, dann probiert euch aus, lasst euch anlocken von Tolkiens Welt und freut euch, dass Legolas einen kurzen, aber typischen Auftritt hinlegen wird.

Der Fall von Gondolin“ von J.R.R. Tolkien, herausgebracht von Christopher Tolkien, illustriert von Alan Lee und übersetzt von Helmut W. Pesch, erschien bei der Hobbit Presse von Klett-Cotta. Der Verlag hat ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.

Gastrezension von Felix Heller, Dauerbahnfahrer und dadurch Vielleser. In völligem Größenwahn gründete ein Orchester und singt nun Pop und Schlager auf japanisch oder türkisch. Hauptberuflich bringt er Opernsängerinnen und -sängern Bühnendeutsch bei, spielt Musicals und moderiert sich durch die Republik. 

Lesung: Patricia Hempel bei der zwischen/miete in Stuttgart am 23.11.17

Die zwischen/miete ist ein Projekt des Stuttgarter Literaturhauses, dabei laden Stuttgarter Wohnungen und Wohngemeinschaften ein, um in ihren Räumen junge AutorInnen lesen zu lassen. Dabei gehts tatsächlich nicht so sehr um die Autoren, als um das Happening. In irgendeiner fremden WG zusammenkommen, auf dem Boden sitzen, über das Interieur schnacken und Bier und Brezel genießen. Achja, und einer Lesung beiwohnen. Macht tatsächlich ziemlich Spaß, auch wenn man die AutorInnen und die Bücher vielleicht noch nicht kennt.

Diesmal ist es für mich ein wenig anders, Patricia Hempel hat mit mit „Literarisches Schreiben“ in Hildesheim studiert und ist die erste aus dem Jahrgang, die ihren Roman veröffentlicht. Metrofolklore, ein Roman über eine lesbische Archäologiestudentin, die versucht, an das schönste Mädchen der Universität ranzukommen. Rezension folgt.

Die Wohnung ist voll, als wir ankommen. In allen Zimmern sitzen Menschen auf den Boden, die Lesung wird vom Wohnzimmer aus in die anderen Räume gestreamt.

Patricia sitzt neben Tim Philippi, der durch den Abend moderiert, er langsam und geordnet, sie chaotisch und polternd, ein skurriles Paar. Die Fragen wurden im Vorfeld abgeklärt, was bedeutet, dass Patricia einige Antworten vorwegnimmt und die Gespräche zwischen den beiden absurde Situationen ergeben.

Patricia hat gut ausgesuchte Stellen und weiß, wie sie Reaktionen im Publikum weckt, und vor allem Neugierde, wie der Roman weitergeht.

Obwohl die Lesung einigermaßen kurz ausfällt, bin ich froh, als es der Fall ist.  Nicht der Lesung wegen, sondern weil es auf Dauer doch ziemlich unbequem ist, so gedrängt auf dem Boden zu sitzen. Auch, wenn er gepolstert ist. Aber der Abend ist nicht mit der Lesung vorbei, er wird zu einem netten Happening mit viel Unterhaltung, guten Gesprächen und Brezeln. Das sehr gerne wieder, nur dann mit besserem Platz. Und gerne wieder eine Lesung von Patricia Hempel. Auch diese mit besserem Platz.

Metrofolklore von Patricia Hempel erschien bei Klett-Cotta.

 

Lesung: Tad Williams am 19.10.17 in der Stadtbibliothek Stuttgart

Stuttgart liest die Tage nicht nur ein Buch, sondern feiert auch die Dragon Days, ein Crossmedia-Fantastikfestival, organisiert von Tobias Wengert. Seit 2012 zieht der Mann ziemlich geilen Scheiß nach Stuttgart, unter anderem regelmäßig Tad Williams.  Neben all seinen Fantasyromanen hat er die Otherworld-Reihe geschrieben, die mich vor vielen Jahren sehr lange gefesselt hat. Nun ist sein neuester Fantasyroman draußen, Die Hexenholzkrone. Ich habe den Roman noch nicht gelesen, kenne auch nicht die anderen der Osten Ard Reihe. Aber nachdem er bereits zum dritten Mal in Stuttgart war und er mittlerweile 60 ist, musste ich ihn endlich mal sehen.

Der Max-Bense-Saal im Untergeschoss der Bibliothek ist gut gefüllt und in fast allen Händen oder Taschen liegen dicke Bücher. Und weil das hier die Dragon Days sind, ist das auch keine normale Lesung. Zuerst wird der Gewinner des Kurzgeschichtenwettbewerbs verkündet und seine Geschichte wird von Barbara Stoll vorgetragen, tatsächlich ganz schöne Geschichte. Erst dann springt Tad Williams auf die Bühne.

Er springt tatsächlich. Wenn man nicht wüsste, dass er 60 ist, könnte man ihn auf 12 schätzen. Während seiner Lesung gestikuliert er, lümmelt in seinem Sessel, wenn er zuhört, und wenn er Antworten gibt und Anekdoten erzählt, springt er auf der Bühne herum. Er hat offensichtlich Spaß, er weiß, wir man Menschen unterhält und begeistert. Björn Springorum ist der Moderator, Fragensteller und Spielpartner auf der Bühne. Ich musste auf die nüchterne, manchmal leicht entrückte Art von Björn erstmal klarkommen, aber sehr schnell war klar, dass Björn – selbst Fantasyautor – nicht nur zum Fragen stellen daneben sitzt, sondern sie sich auf Augenhöhe unterhalten. Und das sind die schönsten Interviews.

Tad erzählt und kommentiert, macht Witze und liest vor. Klar ist er geübt in all dem, aber trotzdem ist es keine Routine, die er abspult. Es macht extrem viel Spaß, auch wenn man die Welten, von denen er redet, nicht kennt. Die Lesung ist relativ kurz und das ist vollkommen in Ordnung. Es geht mir mehr darum, ihn zu erleben. Und das ist ein großartiges Erlebnis. Die deutsche Lesung von Barbara Stoll ist auch gut, aber nicht ganz so großartig, wie ich es mir erwünscht hätte. Und ja, ich bin traurig, den „Stammsprecher“ Andreas Fröhlich nicht zu erleben.

Mitten in der Veranstaltung kommt er musikalische Überraschungsgast. Sebastian Barwinek ist Folksänger und hat unter anderem ein paar Songtexte, die Tad Williams in seine Bücher geschrieben hat – jedes große Fantasywerk braucht eigene Songs, die die Helden singen – vertont. Zwei trägt er vor. Und tatsächlich funktioniert das extrem gut. Zieht uns noch viel weiter in diese andere Welt.

Ich bin ja dafür, dass es zu den Büchern ab jetzt immer einen Soundtrack gibt.

Ich war frech an diesem Abend. Schnappte mit den letzten Stuhl in der ersten Reihe, stelle die erste Publikumsfrage, stellte mich ganz nach vorne, was das Signieren anging. Ich musste manchmal an TC Boyle denken, dessen Lesungen ähnlich viel Spaß machen. Boyle ist zehn Jahre älter. Hoffentlich ist Williams mindestens genauso lange fit und kommt immer wieder vorbei. Ich freue mich sehr drauf.

Danke an Klett-Cotta für die Möglichkeit. Und wer es nachgucken will, Lovelybooks hat einen Livestream aufgezeichnet. Leider mit verschobenem Ton, aber es lohn sich dennoch! Jetzt gefixed!

 

 

Die Leipziger Buchmesse 2017 in Blitzlichtern.

  • Ich komme Mittwoch Abend in Leipzig an und freue mich, meine Gasteltern wiederzutreffen. Ich bin ziemlich froh, dass ich mittlerweile in vielen Städten Menschen habe, bei denen ich unkompliziert unterkommen kann. Was auch heißt, dass meine Besuche in Städten immer Besuche bei Menschen sind, die ich gerne sehe.
  • Es ist Donnerstag, kurz nach Zehn und schon jetzt sind die Hallen gut gefüllt. Klar, es wird bis Samstag noch voller und am Ende ist es ein Besucherrekord, aber ich bin am Donnerstag doch erstmal überrascht.

  • Donnerstag Mittag bin ich mit Wolfgang auf der Bühne, meine erste „Verpflichtung„: Besser vorlesen. Die Bühne ist klein und umrandet von Ständen, aber die Stühle füllen sich schnell und selbst auf dem Gang bleiben Leute stehen. Ich mache zusammen mit Wolfgang den Podcast des Literaturcafé und wir wissen, wie wir miteinander umgehen können und wie wir miteinander funktionieren. Es macht Spaß, Menschen von Sprechkunst zu erzählen und zu erklären, wie man vorliest. Nach der viel zu kurzen halben Stunde beantworte ich einer Traube von Menschen noch Fragen zum Vorlesen und bis zum Ende der Buchmesse werde ich immer wieder auf das Vorlesen und die halbe Stunde angesprochen. Wie schön, dass sich so viele Menschen für das Vorlesen interessieren. Weil es immer noch eine Kunst ist, die nicht ausgeschöpft wird.
  • Ich habe sehr wenig feste Termine die Buchmesse über. Größtenteils treibe ich durch die Massen, treffe Menschen, lerne neue kennen und knüpfe Bande enger. Ich verpasse wohl sehr viele schöne Dinge. Aber ich erlebe auch sehr viele schöne Dinge, für die ich sonst wohl keine Zeit gehabt hätte.
  • Donnerstagabend verbringe ich beim Bloggeressen von Klett-Cotta. Der Verlag residiert 500 Meter von meiner Wohnung entfernt, immer mal wieder habe ich mit ihm und den Menschen, die dort arbeiten, zu tun. Ich mag die Art, wie wir miteinander umgehen. Deshalb gibt es an diesem Abendessen nicht nur Essen und Gespräche zwischen Bloggern, Verlagsmitarbeitern und anwesenden Autorinnen und Autoren, sondern neben einer kurzen Lesung von Kristina Pfister aus „Die Kunst, einen Dinosaurier zu falten“ auch einen kurzen Vortrag von mir. Das ist schon zu viel gesagt. Ich habe ein bisschen aus meiner Sicht als Literaturblogger erzählt, ganz subjektiv und nur für mich sprechend. Womit aus einer Werbeveranstaltung ein Miteinander wird. Danach gehts weiter auf die Tropenparty. Lesung von Arno Frank aus „So, und jetzt kommst du„, danach noch mehr mit Menschen reden.
  • Freitag. Kommilitonen aus Hildesheim sind da. Wir schlendern über die Messe. Also noch mehr Menschen, mehr Kommunikation.
  • Samstag. Jetzt ist es richtig voll. Schon in den Bahnen, sodass ich fast zu spät komme zu meinem ersten Termin am Tag: Ein Interview mit Dietmar Wunder und Uve Teschner. Dietmar habe ich vor ein paar Jahren bei einer Lesung mit Karin Slaughter kennengelernt, mit Uve hatte ich Kontakt, nachdem ich das großartige Hörbuch zu „Am Ende aller Zeiten“ gehört hatte. Audible hatte mit den beiden ein Sprecherfrühstück veranstaltet, danach konnte ich mit ihnen reden.20 tolle Minuten über das Sprechen und die Buchmesse und Kunst allgemein, die es demnächst im Podcast des Literaturcafé zu hören gibt. Eines meiner Highlights der Messe.https://www.instagram.com/p/BSGGS6BFubx/
  • Sonntag ist Tag der Bloggersessions. Wieder tolle Menschen, gute Inhalte und am Ende über Geld reden. Nachzuhören hier.
  • Sonntagabend geht es nach Hause. Nachts bin ich da und ohne Pause geht der Alltag los. So nahtlos, dass ich mich anstrengen muss, dies hier nochmal zusammenzufassen. Ich bin ziemlich froh, all das machen zu können. Danke an alle, die das möglich machen und Teil davon sind.