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Buch: Das Slamperium schlägt zurück. Eine Nerd-Slam-Anthologie.

Der erste Satz aus Das Slamperium schlägt zurück:

Als ich klein war, gab es den Begriff „Nerd“ noch gar nicht.

Leider ist der Rest des Buches genauso Klischee, wie dieser Satz.

In kurz: 

Nicht kaufen! Es gibt bessere Slam-Anthologien und viel bessere Nerd-Bücher, beispielsweise „Ready Player One“ von Ernest Cline.

In lang:

In meiner Definition werden in einer Anthologie 1. bereits bestehende Texte, 2. die möglichst besten zu dem Thema, die 3. dieses Thema aus allen Blickwinkeln beleuchten gesammelt. Auf der Rückseite dieses Buches steht:

Vor gar nicht so langer Zeit, in einer Galaxie gar nicht so weit entfernt, fanden sich einige der talentiertesten Poetry-Slammer des deutschsprachigen Slamperiums zusammen, um der Welt in einem ganz besonderen Buch ihre nerdige Seite zu offenbaren. Die Nerd-Slam-Anthologie „Das Slamperium schlägt zurück“ ist eine Liebeserklärung an alle Facetten des Nerdtums, egal, ob es um italienische Klempner, asthmatische Sith-Lords oder um das Geek-Dasein an sich geht. Mit einem Vorwort von Hennes Bender und Texten von Jan Philipp Zymny, Sebastian 23, Andy Strauß, Patrick Salmen, Alexander Bach, Michael Heide, Jan Coenen, Sascha Thamm, Jan Moebus, Annika Blanke, Sandra Da Vina, André Wiesler, Markus Freise, David Grashoff, Sven Stickling, Anika Hoffmann, Fabian Navarro, Matthias Marschalt, Sevi, Matti Seydel, Jay Nightwind, Michael Meyer, Schriftstehler, Eric Jansen, Tom Schildhauer und Thomas Spitzer.

Ich habe mich auf das Buch gefreut. Weil 1. die Rückseite das Verspricht, was ich selbst in einer Anthologie erwarte, 2. David Grashoff es herausgegeben hat, dessen eigene Textsammlung ich mochte und 3. ich nach allgemeingültiger Definition selbst als Nerd durchgehe. Hier steht ein DeLorean aus Lego, ich weiß noch, wie ein GameBoy plingt, wenn er angemacht wird und ich werde angerufen, wenn Bekannte ein Problem mit dem Computer haben. Gute Voraussetungen für dieses Buch. Deshalb auch die umso größere Enttäuschung. Es ist nämlich ziemlich schnell klar, dass „einige der talentiertesten Slammer“ nicht das Gleiche ist, wie „die besten Texte über das Nerdtum“. Und „alle Facetten“ wohl ganz unterschiedlich definiert werden kann. Wenn nämlich in mehreren Texten offensichtlich wird, dass sie extra für die Anthologie geschrieben worden sind und der Verfasser auch noch überhaupt nicht mit irgendeiner Art von Nerdsein zu tun hat und etwa 95% der Texte in die gleiche Klischeebresche über Nerds schlagen, dann kommt in mir ziemlich schnell das Gefühl auf, dieses Buch ist gemacht worden, um verkauft zu werden. Aber nicht, weil da jemand das Thema facettenreich betrachten will.

Natürlich, es gibt auch Texte in diesem Buch, die mir gefallen haben. Aber das war ein kleiner Teil, den ich lieber in einem anderen Umfeld gesehen hätte. Dieses Buch war eine herbe Enttäuschung für mich. Ich habe das Gefühl, da sagte sich jemand, „Komm, wir machen eine Nerd Anthology! Hey, XY, schreib doch mal einen kurzen Text über Nerds!“ Und das ist kein gutes Gefühl. Es gibt doch genug Anthologie-Themen, bei denen jeder der oben genannten Slammer (und viele mehr) einen guten Text in petto haben. Die Bahn beispielsweise. Oder Facebook. Obwohl ich da auch nicht weiß, ob ein Facettenreichtum vorhanden ist. Hier ist es leider nicht. Sehr schade.

Kauft eine andere Anthologie, wenn es euch um die Slam Poeten geht. Und wenn ihr ein tolles Nerdbuch lesen wollt: „Ready Player One“ von Ernest Cline.

Das Slamperium schlägt zurück wurde herausgegeben von David Grashoff und erschien im Lektora Verlag.

Buch: Sackaffen von David Grashoff

Der erste Satz aus Sackaffen:

Es ist 22 Uhr an deinem Geburtstag und du hast vor sechs Stunden und 42 Minuten mit mir Schluss gemacht.

Ich habe David Grashoff nie live gesehen und war erstmal vom Titel, vom Cover und vom Buchrücken eher abgeschreckt. Dachte, wow, das wird Niveaulimbo. Und Texte von einem Slam Poeten zu lesen, den man noch nie gesehen hat, hat sich bisher eher als schwer herausgestellt. Manchmal ist es aber ganz gut, mit wenig Erwartung an eine Sache ranzugehen. Den neben der obligatorischen Slamtexte und den Themen Drogen und Pornos habe ich einige Geschichten in dem Buch wirklich gern gelesen. Ich mag Davids Ideen und oft auch die Schreibe. Und ich hatte ein wirklich schönes Erlebnis mit diesem Buch:

Ich sitze in der Bahn, kurz vor einer Fahrt von einer Dreiviertelstunde und lese meinem Mädchen die Geschichte „Mein kleines Nerd-Mädchen“ vor. Ich bin fertig und warte auf ihre Reaktion, als eine Stimme sich entschuldigt und aus dem Vierer hinter uns hervorlugt. Die Frau, der die Stimme gehört, sagt, sie hatte ja unweigerlich zuhören müssen und wollte jetzt etwas dazu sagen. Sie setzt sich zu uns und wir verbringen die Zugfahrt mit vorlesen und über die Geschichten reden. mehrmals fragen andere Mitfahrer nach dem Namen des Autors und diskutieren und kritisieren. Sehr schön. Und eine gute Erinnerung zu einem Buch, welches ich irgendwie gern gelesen habe.

Was ich mir manchmal wünschte: Manche Ideen sind größer als die Texte, in denen David sie verarbeitet. Aus manchem könnte man ganze Erzählungen und Romane machen. Man könnte sich länger mit ihnen wohl fühlen. Aber vielleicht folgt das ja noch. Ich bin gespannt.

Sackaffen von David Grashoff, mit Illustrationen von Volker Konrad erschien im Lektora Verlag.

Slam Poetry Bücher: „Hin und zurück – nur bergauf!“ von Jan Philipp Zymny und „Tabakblätter und Fallschirmspringer“ von Patrick Salmen

Hin und zurück – nur bergauf!

Leider hatte ich bisher nicht das Vergnügen, Jan Philipp Zymny auf der Bühne zu erleben. Dafür aber jenes, dieses Buch zu lesen. Markus Freise hat ein tolles Cover für dieses Buch gestaltet, ich mag es sehr. Aber das ist leider auch so ziemlich das Einzige, was ich an diesem Buch mag. Eine Sammlung von Slam Texten, Haikus, leeren Seiten und anderen Texten, die so wohl nicht auf der Bühne gelesen werden. Ich glaube, hier verhält es sich ähnlich wie bei Pierre Jarawan. Wenn man ihn live erlebt hat, funktionieren die Texte auch selbst gelesen. Ich habe Zymny aber noch nicht gesehen. Deshalb funktionieren die Texte zum größten Teil auch nicht. Unter „Gesprächskultur“ gibt es eine schöne Beobachtung, wie Diskussionsrunden im deutschen Fernsehen ablaufen. Und „Der Ausbruch von Peterchen dem patzigen Pony aus dem Streichelzoo“ ist eine angenehm skurrile Anlehnung an Chuck Palahniuks „Fight Club„. Aber ansonsten konnte ich mit den Texten in Hin und zurück – nur bergauf! nicht so viel anfangen. Schade. Ich bin gespannt, Zymny endlich mal live zu erleben, ob er meine Meinung ändern kann. Das wär fein.

 

Tabakblätter und Fallschirmspringer

Der Mann mit dem Bart und den Holzfällerhemden. Mit der angenehmen Stimme und den tollen Worten. Tabakblätter und Fallschirmspringer ist das zweite Buch von ihm, wieder eine Sammlung an Geschichten und Texten. Das erste habe ich leider nicht gelesen, kenne aber ein paar seiner Texte davon vom Hören. Dagegen waren mir all diese Texte im Buch neu. Dennoch, die Stimme ist im Kopf, füllt die Worte mit Leben. Es sind schöne Worte. Schöne Zusammensetzungen, schöne Bilder.

Aber: Sobald ich mit einem Text durch bin, ist irgendwie alles weg. Versteht mich richtig: Es sind schöne Texte! Ich lese sie sehr gerne. Aber irgendwie bleibt danach nichts im Kopf. Oder im Herz. Oder sonstwo. Das ist zwar schade, aber ich kann es nicht ändern. Dazu kommt, dass Salmen sich für meinen Geschmack zu oft wiederholt. Ich liebe es, wenn Protagonisten aus der einen Geschichte in einer ganz anderen aufblitzen. Aber innerhalb eines Textes wiederholen sich manche Phrasen viel zu oft. Das macht den Text dann profaner , als er ist. Und was in diesem Buch auffällt, manche Texte sind Bühnentexte, in dem Zuhörer angesprochen werden, andere wiederum sprechen explizit Leser an. Ich glaube, wenn man die Bühnentexte auf die Leser angepasst hätte, das hätte ihnen innerhalb des Buches sehr gut getan.

Alles in allem ist Tabakblätter und Fallschirmspringer ein gutes Buch voller schöner Worte, aber leider ohne Nachgeschmack.

 

Tabakblätter und Fallschirmspringer von Patrick Salmen und Hin und zurück – nur bergauf! von Jan Philipp Zymny erschienen im Lektora Verlag.

Interview: Pierre Jarawan, Slam Poet und Autor von „Anders sein ist ganz normal.“

Pierre Jarawan, Slam Poet aus Kirchheim Teck, hat seine Texte sortiert und in ein Buch gepackt. Anders sein ist ganz normal ist der Titel und der rote Faden dieser Sammlung an Texten und Gedichten. Heute morgen hat er sich die Zeit genommen, mir ein paar Fragen zum Buch, zur Kunst und zu allem anderen zu beantworten. Dabei saß ich in Fellbach und er… zumindest nicht bei mir. Aber das Internet macht ja vieles möglich. Ein Schreibgespräch, unter anderem über das Schreiben.

Fabian: Pierre, ich hab‘ in den letzten Tagen dein Buch lesen dürfen und ich muss sagen, bei fast jedem der Texte im Buch habe ich deine Stimme im Ohr gehabt.
Pierre: Das freut mich, weil das natürlich der Idealfall ist. Text und Vortrag gehen ja normalerweise Hand in Hand.

Aber andererseits habe ich Texte gefunden, die du – glaube ich – noch nie auf einer Bühne gemacht hast, oder?
Das stimmt. Das war mir auch wichtig. Ich glaube, das bringt ein gewisses Gleichgewicht in das Buch.

Gibt es für dich einen Unterschied zwischen Texten, die du „für’s Hören“ schreibst und Texten, die explizit gelesen werden sollten? Also, schreibst du dann schon ganz anders?
Ja, aber der Unterschied ist nicht sehr groß. Einen Bühnentext strukturiere ich einfach anders. Die Effekte, die man damit erzielen will, sollten ja an der richtigen Stelle kommen. Außerdem muss man bedenken, dass die Zuschauer in der Regel nur 5-7 Minuten Zeit haben. Also schaue ich, dass ich keine allzu komplexen Bilder nehme, weil dann die Gefahr besteht, dass die Zuhörer sich in einem Bild verfangen, während der Text weiterläuft. Jemand, der einen Text liest, kann ihn sooft er will lesen – die Zuhörer haben immer nur diesen einen Moment.

Es sei denn, sie lesen sie nach.
Genau!

Eine Sache, die mir beim Lesen aufgefallen ist, sind die fließenden Übergänge von Lyrik in Prosa. Manche Texte sehen lyrisch aus, reimen sich aber nicht immer, aber plötzlich taucht eben doch ein Reimpaar auf. Wie sehr unterscheidest du zwischen Lyrik und Prosa? Und, falls man das fragen kann, welche Form ist dir lieber?
Ja, das stimmt. Ich mag diese Art zu Reimen sehr, weil sie so ungezwungen ist. Man hat einfach einen größeren Spielraum. Die Übergänge zwischen Lyrik und Prosa sind oft fließend. Ich habe eigentlich keine Form, die ich lieber mag. Ich finde, es gibt Themen, die eignen sich besser für Lyrik und andere, die eigenen sich besser für einen Prosatext, aber auch das kann man nicht grundsätzlich sagen.

Und dann sind da noch diese „Variationen einer Redewendungen.“ Machst du das auch auf der Bühne? Oder wie kam es zu diesen Kürzesttexten?
Nein, höchstens Mal als Zugabe. Damit wollte ich einfach nur Redewendungen und Aphorismen hinterfragen, von denen die meisten glauben, sie seien besonders weise oder würden viel hergeben, wobei sie eigentlich eher oberflächlich sind.

Ein indirekter Aufruf, kritisch zu sein und nichts einfach so hinzunehmen?
Ja, im Prinzip sogar ein direkter Aufruf, die Dinge, die man liest, auch zu hinterfragen.

Hinterfragen, bzw. Kritisieren ist ein ganz gutes Stichwort. Seit Oktober bist du ja in München und studierst Theater-, Film- und Fernsehkritik. Wie ist der erste Eindruck?
Der erste Eindruck ist super. Wir sind an der Hochschule für Fernsehen und Film untergebracht, das Gebäude ist großartig, die Kommilitonen ebenfalls und die Kurse sind sehr interessant. Ich habe im Moment ziemliches Glück mit allem.

Was genau muss man sich denn unter dem Begriff vorstellen? Was sind denn die Ziele und Inhalte des Studiums? Und wieviele studieren das?
Im Prinzip genau das, was er aussagt: Man wird da zum Kritiker ausgebildet, zum Kulturjournalisten. Mit einem gewöhnlichen Studium ist das nicht zu vergleichen. Jedes Jahr werden etwa 5-7 Studenten angenommen, man studiert also in relativ kleinen Gruppen, kann viel produktiver arbeiten und der Praxisbezug ist sehr hoch. Inhalte des Studiums sind beispielsweise regelmäßige Besuche im Theater und Kino und Seminare wie „Musik im Horrorfilm“, „Feuilletonanalyse“, „Filmgeschichte“ und so weiter. Ab und zu kommen Journalisten von außerhalb und geben Seminare zum Thema „Interview“ oder „Reportage“.

Ist es schöner, selbst Kunst zu schaffen oder die Kunst anderer zu kritisieren?
Kunst selbst zu schaffen ist schöner. Kunst zu kritisieren ist aber natürlich wichtig. Der Begriff „Kritik“ bedeutet ja nicht, per se etwas Negatives über einen Gegenstand zu sagen, es gibt ja auch positive Kritik. Kritik ist wichtig für die Entwicklung der Kunst.

Du hast es vorher schon kurz anklingen lassen, du hast im Moment ziemlich viel Glück mit allem: Das Buch, das Studium deiner Wahl und vor kurzem auch noch baden-württembergischer Poetry Slam Landesmeister. Habe ich etwas Wichtiges vergessen?
Nein, das ist ja auch mehr als genug.

Auf jeden Fall! Mit dieser Antwort nimmst du auch meine nächste Frage ein wenig vorweg: Bist du eher der Typ, der dann einfach mal alles Erreichte genießen kann oder strebst du gleich weiter?
Irgendwie beides. Ich genieße das alles im Moment sehr, aber ich finde es wichtig, sich nicht auf Erreichtem auszuruhen. Damit meine ich nicht möglichst viele Titel und Preise zu gewinnen – das kann man ohnehin nie planen – sondern, dass ich mich künstlerisch weiterentwickeln will.

Du bist ja extrem viel als Slam Poet unterwegs, fast jedes Wochenende. Ist dann überhaupt Zeit für extra Lesungen aus dem Buch?
Ja, aber im Moment versuche ich da ein Gleichgewicht herzustellen, also weniger Slams und mehr Solo-Shows zu machen.

Gibt es eine Anlaufstelle, wo man all deine Auftrittstermine findet?
Es gibt eine Facebook-Fanpage, wo ich regelmäßig poste, wo ich in den nächsten Wochen auftreten werde. Ansonsten hoffe ich, dass ich jetzt endlich bald eine Homepage zustande bekomme.

Gibt es bei all deinem Tun ein Projekt, was in nächster Zeit deine Aufmerksamkeit am meisten beanspruchen wird?
Neben dem zeitaufwändigen Studium will ich vor allem versuchen, die Solo-Show weiterzuentwickeln, um damit noch mehr auf Tour gehen zu können.

Zum Abschluss eine ganz andere Frage: Du bist zwar in Kirchheim Teck aufgewachsen, aber geboren bist du in Amman, Jordanien. Gibt es eine Eigenschaft, eine Sache an dir, von der du sagst, du hast sie von dort mitgebracht?
Nichts, was ich spontan anbringen könnte, ich finde, in mir eine ganz gute Mischung aus deutschen und libanesischen Einflüssen – mein Vater ist ja Libanese.

Eine Mischung ist immer gut. Pierre, vielen Dank für deine Zeit und die schönen Antworten! Ich wünsche dir viel Erfolg mit dem Buch, deinem Studium und natürlich mit dem Soloprogramm und ich hoffe, wir sehen uns bald auf einer Bühne wieder. Alles Gute dir!
Danke dir!

Meine Rezension von Anders sein ist ganz normal folgt bald, mehr über Pierre findet ihr auf seiner Facebook-Seite und im Lektora Interview.