Schlagwort: Matthias Jendis (Seite 1 von 1)

Hörspiel: Moby-Dick oder der Wal von Herman Melville

Moby-Dick gehörte zu den Büchern, die ich immer mal gelesen haben wollte, die mich aber auch immer abgeschreckt haben, weil Seitenanzahl, weil Sprache, weil Thema. Wenn sich jetzt der öffentlich-rechtliche Rundfunk daran setzt, daraus zwar ein langes, aber kurzweiliges Hörspiel zu produzieren, mit der heutigen Zielgruppe im Kopf, dann funktioniert das für mich ziemlich gut. Beim Tyll war das schon so.

Bei Moby-Dick hat der BR eine rund neunstündige Produktion angelegt, auf Basis der Neuübersetzung von Matthias Jendis, mit Sprechern wie Rufus Beck, Felix von Manteuffel, Manfred Zapatka, Ulrich Matthes, Bernhard Schütz, Thomas Holtzmann, Stefan Wilkening. Ist wohl dem Stoff geschuldet, aber es sind auffällig wenig (in meiner Erinnerung sogar gar keine) Frauen darunter.

Neun Stunden also, beginnend bei der Wortkunde, mit Gesängen und sehr vielen Ausschweifungen zu verschiedenen Themen, die alle irgendwie etwas mit dem Walfang zu tun haben, arbeitet sich das Stück durch die Psyche von Ahab und das Meer bis zum Wal vor.

Es ist anstrengend und lehrreich und unterhaltsam. Und irgendwann ist auch mal gut und ich bin froh, durch zu sein.

Moby Dick ist in jeder Hinsicht ein massiver Stoff. Ich bin mir sicher, dass ich es nie geschafft hätte, das Buch komplett zu lesen. Ein Glück gibts diese Hörspielfassung. Sie ist immer noch anstrengend, macht den Wal aber um einiges zugänglicher.

Moby-Dick oder Der Wal von Herman Melville wurde vom BR als Hörspiel produziert und erschien beim Hörverlag.

Roman: Vincent von Joey Goebel

Der erste Satz aus Vincent:

Tut mir leid, daß du es ausgerechnet von mir erfährst, aber du wirst nie glücklich sein.

Harlan ist der Manager von Vincent. Vincent ist Künstler und wie alle Großen erschafft er das Beste, wenn er leidet. Harlan sorgt dafür, dass Vincent leidet. Dies ist seine Geschichte.

Schon seit Jahren sagen mir viele Menschen, ich sollte dieses Buch doch endlich lesen, meine Liebste hat mir ein Exemplar auch vor ein paar Jahren geschenkt, dieses stand im Regal der ungelesenen Bücher. Ich wusste, worum es geht, aber es gab immer irgendwas anderes. Bis eben jetzt. Weil ich die WDR Hörspielversion gehört habe. Die ist leider überhaupt nicht gut. Sie versucht, mehr als 400 Seiten Roman auf 50 Minuten zu pressen und drückt dabei alles Leben heraus. So sehr, dass ich wusste, jetzt muss ich das Buch lesen und hoffen, dass es besser ist, als das Hörspiel. Ist es.

Joey Goebel schreibt nüchtern, melancholisch gefärbt, literarisch nicht herausragend, aber der Geschichte angemessen. Und um sie geht es. Das Bild des leidenden Künstlers ist kein neues, in negativer Version fiel es mir oft in Hildesheim auf. Und die Qualität von „Konsumkunst“ ist auch bekannt. Aber diese „Schule des Leidens“, die Goebel entwirft, ist so konsequent und spannend, dass ich auf jeden Fall wissen will, wie diese Geschichte verläuft.

Sie hat mich nicht nur unterhalten, sondern auch noch zum Nachdenken gebracht, über die These „Gute Kunst nur aus Leiden“ und auch darüber, wo ich mich selbst in diesem ganzen Betrieb sehe. Damit schafft Joey Goebel mit Vincent mehr, als viele andere Titel. Ich bin gespannt auf das nächste.

Vincent von Joey Goebel erschien bei Diogenes und wurde übersetzt von Hans M. Herzog und Matthias Jendis.