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Die Haltlosen – ein kollaborativ geschriebener Roman

Letzte Woche durfte ich mit zehn jungen Erwachsenen drei Tage lang arbeiten und mit ihnen einen Roman schreiben. Seit knapp zehn Jahren gebe ich Workshops in kreativem Schreiben und Poetry Slam, aber noch nie durfte ich in so kurzer Zeit mit Menschen an einem Roman arbeiten. Spannendes Experiment, denn ich ließ die Gruppe entscheiden, ob sie entweder einen Episodenroman schreiben, in dem jeder seine Geschichte hat, die wir dann miteinander verklinken, oder ob wir gemeinsam an einer großen Geschichte arbeiten.

Ich habe kollaboratives Schreiben nicht erfunden, aber spätestens seit meinem Studium in Hildesheim glaube ich, dass es – wie beispielsweise beim Film – sehr gut funktionieren kann, einen Roman in seine Bestandteile auseinanderzunehmen und jeden Künstler der Gruppe seine Stärken ausspielen zu lassen. Genau das haben wir gemacht.

Nach einer Einführung in Kreativität, Masterplots und Storytelling im Allgemeinen haben wir uns am ersten Tag auf eine Prämisse (‚Was wäre, wenn die Schwerkraft auf der Erde immer wieder für kurze Zeit aussetzt‘), einen Masterplot (Heldenreise), einen Twist (Spoiler!) und eine weibliche Hauptfigur (wir nennen sie ‚Welf‘) geeinigt. Dann hat sich die Gruppe gedrittelt und jedes Team hatte eine der folgenden Aufgaben:

  1. Worldbuilding: Wie könnte eine Welt aussehen, in der einmal am Tag die Schwerkraft aussetzt? Was hat das für Auswirkungen auf die Welt? Wie gehen die Menschen damit um? Was könnten sogar die Vorteile sein? Was könnte nicht mehr verwenden werden?
  2. Plot anpassen: Ausgehend von der klassischen Heldenreise, wie könnte unser ganz eigener Plot aussehen?
  3. Charakterbuilding: Wer ist Welf? Wie sieht sie aus? Wie redet und handelt sie? Und warum? Was ist ihr Hintergrund. Selbiges gilt für einen Gefährten und für einen Antagonisten.

Am Ende des ersten Tages stellte jedes Team seine Ausarbeitungen vor, wir sammelten alles und jeder suchte sich eine Szene aus, die er am Vormittag des ersten Tages schreiben würde. Wie schon bei der Aufgabenverteilung zuvor stellte sich raus, wo wessen Stärken lagen: Ein paar schrieben die Actionszenen des Romanes, andere konzentrierten sich auf die Chemie zwischen Welf und ihrem Gefährten (Kit ist ein Mensch, der sich der Geschlechtszuordnung entzieht, was das Schreiben der Szenen extrem erschwert). Wieder andere erzählten den Alltag einer Welt, die jeden Tag irgendwann mal in der Schwebe ist.

All diese Ausschnitte stellten wir vor, arbeiteten daran literarische Mittel heraus und puzzelten sie an die richtige Stelle des Romanes. Wir einigten uns auf die Erzählform (Ich-Perspektive und Präsens) und verteilten die nächsten Szenen, beziehungsweise arbeiteten die schon existierenden weiter aus.

Unser Workshop war Teil eines größeren Angebots, in dem eine Woche lang gemeinsam an Dingen gearbeitet wurde und am Ende die Ergebnisse der fünf Workshops (Exit Room, Graffiti, Produktdesign mit Beton, Trickfilm und Roman schreiben) die Ergebnisse vorgestellt werden sollten. Während alle anderen ihre Ergebnisse erlebbar und ansehbar machen konnten, konnten wir niemals den gesamten Roman vorlesen. Also machten wir uns an Tag 3 daran, ein Cover zu bauen, einen Klappentext zu schreiben und eine Präsentation samt kurzer Lesung zu konzipieren.

Und hier ist das Ding: Was sich als Experiment in meinem Kopf ganz spannend angefühlt hat, wurde in diesen drei Tagen mehr als übertroffen. Weil uns natürlich allen klar war, dass wir in dieser kurzen Zeit auf gar keinen Fall einen ganzen Roman produzieren konnten. Nichtmal eine Rohfassung, allein schon das Tippen bräuchte mehr Zeit. Aber selbst als das Cover, die Inhaltsangabe und die Präsentation standen, saßen wir alle an unseren Computern, meist in einem Raum, klärten nebenbei Dinge wie erzählte Zeit und Jahreszeit, Eigenheiten der Figuren und Plotdetails und arbeiteten nicht für die Präsentation, sondern für diesen Roman.

Diese Motivation und die Grundstimmung dieser Gruppe befriedigt mich so extrem positiv und machen mich bodenlos dankbar. Weil sie zeigen, dass das tatsächlich funktionieren kann. Nun sind die drei Tage um und wahrscheinlich werden wir uns in der Konstellation nie mehr sehen. Höchstwahrscheinlich wird die jetzt existierende Gruppe auch nicht so motiviert dranbleiben. Aber wenn nur ein Paar Leute die Energie halten, bin ich auch dabei. Und in irgendeiner Form werden wir unsere Ergebnisse öffentlich machen. Bis dahin, viel Spaß mit dem Klappentext unseres Romanes ‚Die Haltlosen‘:

Die Welt, in der die 18-jährige Welf lebt, ist nicht die, die wir kennen: Seit gut fünfzig Jahren setzt einmal am Tag die Gravitation aus und die Schwebe tritt ein. Für die Gesellschaft, geteilt in Haltlose und die, die sich ein sicheres Leben, unbeeinflusst der Schwebe leisten können, ist dies Alltag. Doch eines Tages gibt es das erste Mal eine zweite Schwebe, gefolgt von zunehmenden unkontrollierten Ausfällen. Ausgerechnet Welf und Kit, eine androgyne Quasselstrippe, fallen Aufzeichnungen eines Verschwörungstheoretikers in die Hände. Als die Spur sie in die Tiefen der vatikanischen Archive führt, ahnt niemand, dass es nicht nur darum geht, die Welt zu retten.

10 Jahre auf Poetry Slam Bühnen

Anfang 2003 drückte mir mein damaliger Deutschlehrer einen schlecht ausgeschnittenen und auf rotes Papier kopierten Flyer für den ersten Pforzheimer Poetry Slam in die Hand. Pforzheim, die Stadt meines Gymnasiums. Mein Lehrer wusste, das ich schreibe und damals war Slam Poetry noch um einiges unbekannter, als heute, sodass die gesamte Rückseite des Flyers mit einer Erklärung bedruckt war. Da konnte man auf einer Bühne seine selbstgeschriebenen Texte vortragen. Ich hatte erst im Jahr zuvor mit dem Schreiben begonnen – Warum Fische Treppen hassen ist mein erster Text – und ich hatte Lust, meine Texte anderen vorzutragen. Also bin ich damals im März 2003 mit meinem Vater und ein paar Freunden ins Kupferdächle um dort auf der Bühne zu stehen. Damals noch mit Dreadlocks, Rocket eBook und einer sehr geringen Ahnung vom Sprechen.

Jetzt haben wir Ende 2013, ich habe immer noch lange Haare, eine Brille und eine Ahnung, dass ich keine Ahnung vom Sprechen habe. Und ich wollte dieses Zehnjährige zumindest kurz erwähnt haben. Ich habe in den zehn Jahren in der Slamily viele tolle Menschen kennengelernt, sehr viele Einladungen angenommen und bin ein wenig rumgekommen. Ich bin nie wirklich auf Tour gegangen und bin extrem viel weniger aktiv und motiviert als andere in der Szene, aber das ist okay. Ich mag die Leute und die Art und die Texte und die Gespräche und das Gefühl und die Umarmungen. Aber ich mag auch noch viele andere Sachen neben dem Slammen. Also bin ich mal mehr, mal weniger dabei, aber immer mit einem guten Gefühl, welches ich nicht missen will. Und ich glaube, ich werde auch immer mal wieder noch auf einer Bühne stehen.

Danke dafür.

Eigentlich war dieses Jahr noch ein bisschen was zum Jubiläum geplant. Eine Kurzgeschichtensammlung beispielsweise. Aber hej, dann kam das Leben mit all seinen anderen tollen Sachen dazwischen. Ich kann zumindest versprechen, es folgen weitere Bücher. Kurzgeschichten genauso wie Romane. Leider kann ich nie sagen, wann. Aber auch das ist okay. So bleibt das spannend. Ich sage noch einmal Danke und freue mich, euch bei Auftritten dabei zu haben. Auf die kommenden zehn Jahre.

Poetry: Plappermühle U20 Slam am 23.08 in Braunschweig und ich bin als Featured Poet dabei.

Das letzte Mal auf einem U20-Slam (alle Teilnehmer sind unter 20 Jahre alt) war ich 2004 bei den Nationalen Meisterschaften in Stuttgart. Aber diesmal darf ich in Braunschweig als Featured Poet auftreten! Sehr schöne Sache das. Ich werde zwei Texte vortragen und einige Exemplare meines Romanes dabei haben. Kommt zuhauf! Also:

Plappermühle U20 Poetry Slam in Braunschweig.

23.08.2013 20:00 geht’s los!

Mehr Infos und Ortsbeschreibung entnehmt der Facebook-Seite