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Essay: Wenn das Wasser kommt, von Rutger Bregman mit Susanne Götze

Es gibt eine Geschichte, die erzählt werden muss, und sie muss jetzt erzählt werden. Es ist die Geschichte von Johan van Veen. Ingenieur. Vater des Deltaplans. Einer der bedeutendsten Niederländer aller Zeiten.
Und doch kenn ihn kaum jemand.

Der erste AbSatz aus Wenn das Wasser kommt

Ich hab Im Grunde gut von Rutger Bregman sehr gemocht und Utopia for realists liegt hier auf einem Stapel neben mir. Deshalb wollte ich diesen Essay lesen. Ein kleines Büchlein, wie der blaue, edle große Bruder von Reclam Büchlein. Bregman gibt diesem diffusen Ding Klimawandel eine sehr greifbare Geschichte, wirft diesen nachdenklichen Blick in die Vergangenheit der Niederlande, verknüpft ihn mit aktuellen Ereignissen und warnt ganz klar und nicht leugbar vor den Gefahren, denen wir ausgesetzt sind.

64 Seiten, die schnell gelesen sind und wirklich lange nachhallen. Nachhaltig gedruckt, mit Hardcover. Und das ist das größte Problem des Essays: Sein Preis. Ich denke, alle sollten dieses kleine Büchlein lesen. Aber ich glaube, es ist zu teuer, um wirklich groß rumzukommen. Vielleicht wäre es in dem Fall sinnvoller gewesen, das Büchlein gern nachhaltig, aber so günstig wie möglich zu produzieren, ein kleines Taschenbuch, das wirklich in jede Tasche passt und einfach an der Kasse mitgenommen wird. Vielleicht sehen wir das ja noch. Wäre toll.

Wenn das Wasser kommt von Rutger Bregman mit Susanne Götze, wurde übersetzt von Ulrich Faure und erschien bei Rowohlt. Der Verlag hat mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.

Roman: Mutterschaft von Sheila Heti

Oft habe ich die Welt aus großer Entfernung betrachtet – oder gar nicht.

Der erste Satz aus Mutterschaft

Für den aktuellen Roman habe ich mich viel mit Mutterschaft auseinandergesetzt. Dafür Regretting Motherhood von Orna Donath und Mama von Jessica Lind gelesen, und eben auch Mutterschaft.

Sheila Heti schreibt über Sheila Heti, die sich in ihren späten 30ern damit auseinandersetzt, ob sie Mutter werden will. In ihrem Alltag versucht sie sich als Version mit Kind zu sehen, manchmal erfolgreich, manchmal aber auch überhaupt nicht. Und dafür findet sie so tolle Worte.

Allein dafür habe ich Heti sehr gern gelesen, weil ihre Sprache und ihre Bilder in mir so viel Resonanz finden. Mein Exemplar ist voller Eselsohren an den Stellen, die ich angestrichen habe.

Aber dann gibt’s da auch noch den Einsatz von I Ging als Weissagung in Form dreier Münzen. Heti merkt an, dass die Ergebnisse des Münzenwerfens im Buch Ergebnisse tatsächlicher Münzenwürfe sind.

Einerseits sind die Fragen und die „Antworten“ durch die Münzen ganz witzig. Andererseits liegt aber damit dem Buch eine ganz komische Metaebene inne. Mich hat es fast jedes Mal aus dem Buch geworfen, wenn die Münzen befragt wurden. Weil ich dachte, Ach ja, das ist jetzt nicht mehr Geschichte, das ist wirklich passiert.

Schade eigentlich, weil der Rest des Buches mich wirklich gefesselt hat und mir viel beigebracht hat.

Mutterschaft von Sheila Heti wurde übersetzt von Thomas Überhoff und erschien bei Rowohlt.

Hörspiel: Tyll von Daniel Kehlmann

Der WDR hat aus Daniel Kehlmanns letztem Roman ein Hörspiel von dreieinhalb Stunden gemacht. Ich kenne bisher nur Ausschnitte aus Ruhm und habe ein paar seiner Romane im Regal stehen, aber noch keinen gelesen. Und Tyll hatte mich erstmal überhaupt nicht interessiert.

Aber ich mag die Hörspiele, die der WDR produziert, und dreieinhalb Stunden kann ich schnell mal weghören.

Ich weiß nicht, wie das im Roman ist, aber das Hörspiel schickt mich auf eine Reise durch den 30jährigen Krieg, mal mehr, mal weniger an Till Eulenspiegel dran. Ich mochte schon immer die Figur und die Funktion des Narren, als Spiegel der Gesellschaft, als Underdog und geheimer Lenker der Großen und Mächtigen. Dieser Tyll aber geht darüber hinaus und wird im Laufe seines Lebens, in dem ich ihn immer wieder eine kurze Weile begleiten darf, immer mehr Mensch, samt all dem Leiden, der Liebe und dem ‚am Leben zerrieben werden‘.

Ich mag diesen Tyll (und seine Gefährtin Nele), ich mag die Art, wie Kehlmann und der WDR die Armut und das Leid dieser Zeit herausarbeiten und tatsächlich mag ich es, Lars Rudolph als Tyll auf den Ohren zu haben. Ich muss den Roman immer noch nicht unbedingt lesen, aber in diese Hörwelt tauche ich sehr gerne ein.

Tyll von Daniel Kehlmann erschien bei Rowohlt, das Hörspiel wurde vom WDR produziert und erschien bei Argon. Leider nicht mit dem viel schöneren Cover, das der WDR verwendet hat.

Hörbuch: Mein Herz zwischen zwei Welten von Jojo Moyes, gelesen von Luise Helm

Jojo Moyes hatte mit Ein ganzes halbes Jahr ihren internationalen, aber auch ihren deutschen Durchbruch, seitdem werden nicht nur all ihre anderen Romane mit ähnlichem Cover neu aufgelegt, sondern das Buch wurde verfilmt und Moyes schrieb Teil 2, Ein ganz neues Leben, und dieses Jahr erschien Mein Herz in zwei Welten.

Band 1 war ‚Ziemlich beste Freunde‘ plus Liebe und sauber konsequentem Ende und ist eine gute Geschichte, emotional erzählt und von Luise Helm wunderbar gelesen. Band 2 hinterließ einen ziemlich bitteren Geschmack, weil Moyes, damit Band 2 funktionieren konnte, das bittersüße Ende des ersten Buches im Auftakt des zweiten quasi aufheben musste.

Ich habe noch nie ein offensichtlicheres Beispiel erlebt, in dem ein zweiter Teil den ersten im Nachhinein schlechter macht. Dementsprechend war ich ziemlich skeptisch über den dritten. Aber konsequenterweise wollte ich ihn hören. Ein Glück.

Mein Herz in zwei Welten lässt Louisa einen Neuanfang in Amerika machen, mit allem Stolpern und aller Faszination, aber auch mit den Fäden in die Vergangenheit, die sich nicht so leicht kappen lassen. Und natürlich ist da die Liebe. 

Es funktioniert. Als Geschichte, als nächster Teil in Louisas Leben. Aber auch als eigenständige Story. Sehr visuell erzählt, gibt es einige Szenen, die schon jetzt nach Film schreien. Der Soundtrack schwang die ganze Zeit in meinem Kopf mit.

Luise Helm tut den Rest. Ich mag die Stimme, die Art, wie sie eine Geschichte erzählt und sie mir als Zuhörer näher bringt, ohne es zu übertreiben.

Wem ‚Ein ganzes halbes Jahr‘, kommt auch hier auf seine Kosten. Den zweiten Teil könnt ihr überspringen. Dieser hier lohnt dafür wieder.

Mein Herz in zwei Welten von Jojo Moyes wurde übersetzt von Karolina Fell und erschien bei Wunderlich, das Hörbuch wurde gelesen von Luise Helm und erschien bei Argon. Der Verlag hat mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.

Film & Gewinnspiel: Tschick

Das also ist der Film zu Tschick. Ich bin begeistert vom Hörbuch, gelesen von Hanno Koffler. Ich bin begeistert vom Roman von Wolfgang Herrndorf und mag die Filme von Fatih Akin und war ziemlich gespannt auf diese Verfilmung.

Seit 15. September läuft sie im Kino, gestern waren wir drin. Und es war okay. Der Film ist nicht schlecht. Ich habe zusammen mit vielen anderen im Kino oft gelacht, war überrascht und war berührt.

Aber es gab auch viele Sachen, die für mich nicht funktionieren. Ich brauchte eine ganze Weile, bis ich drin war. Besonders am Anfang kam es mir manchmal vor, als ob Menschen vor einer Kamera Stellen aus dem Buch vorlesen. Gespielt, nicht erlebt. Besonders auffällig war, dass manche Pointen nicht wirklich zünden können, weil das Timing nicht stimmt. Kennt ihr das, wenn jemand zu schnell antwortet? So ging mir an Anfang durchgehend. Das wird im Laufe des Filmes besser. Aber er kann sich trotzdem nicht vom Buch lösen, wie er sollte. Im Making-of (sehr sehenswert) sagt Produzent Marco Mehlitz:

Tschick als Film hatte nie den Ansatz, dass wir den Roman bebildern wollten, sondern wir wollten einen Film machen, der als eigenständiges Werk funktioniert.

Der Film funktioniert zwar eigenständig, aber wenn man das Buch kennt, dann ist er genau das: Eine bebilderte Version. Großteile der Dialoge sind exakt übernommen. Was nicht verfilmbar ist, wird von Maik aus dem Off gesprochen, ähnlich wie bei Mängelexemplar. Und die meisten Lacher haben eben genau die Stellen bekommen, die Wort für Wort aus dem Roman stammen.

Zusätzlich gab es viele Stellen, in denen der Film eine Atmosphäre aufbaut oder aufbauen könnte, sich dafür aber nicht genug Zeit lässt. Viele Stellen, wo ich dachte, schade! Das hätte gleich geil werden können.

Im Interview mit der Morgenpost erzählt Regisseur Fatih Akin, dass er nur 7 Wochen Vorbereitungszeit hatte, weil er den Film kurzfristig übernommen hatte. In dieser Zeit wurde die Rolle des Maik nochmal umbesetzt, so ist Tristan Göbel dazugekommen. Auch das Casting von Tschick mit Anand Batbileg scheint nicht einfach gewesen zu sein.

Ich will gar nicht sagen, dass die beiden schlechte Schauspieler sind. Aber in vielen Momenten hätten sie, hätte der ganze Film mehr Zeit in der Vorbereitung und auch in den Szenen gebraucht, um sich richtig entfalten zu können. Man kann den beiden zusehen, wie sie sich nicht nur als Maik und Tschick, sondern auch als Tristan und Anand aneinander gewöhnen.

Überraschend war Mercedes Müller als Isa. Sie ist nicht die Isa aus dem Buch und das ist gut so. Hier schafft es der Film, sich von der Vorlage zu lösen und eigenständig ein eigenes Gefühl aufzubauen. Isa im Film ist um einiges älter als im Buch, was wahrscheinlich produktionstechnische Gründe hat. Sonst hätte man nicht die Szenen am Badesee drehen können. Aber sie ist eine passende Figur für diese Reise und bis zum Ende des Films habe ich mir gewünscht, dass sie nochmal auftaucht.

Passiert nicht. Stattdessen wird die Handlung des Romans, die im Film teilweise weggelassen wurde, animiert angedeutet und Kenner der Grundlage können sich über die Visualisierung freuen.

Am Ende bleibe ich dann mit gemischten Gefühlen zurück. Auf der einen Seite hatte ich Spaß und habe mich gefreut. Andererseits ist mir der Film gleichzeitig zu nah und zu fern am Roman und er hätte eben mehr Zeit vertragen, mehr Reife. Vielleicht muss ich ihn mir in ein paar Wochen nochmal ansehen, mal sehen, wie er mir dann gefällt.

Was ich mir wünsche: Dass Mercedes Müller die Isa auch in der (zeitnahen) Verfilmung von „Bilder deiner großen Liebe“ spielt und jemand so weit vorgedacht hat, dass es alternative Versionen der Szenen mit Maik und Tschick gibt, damit diese dann dort eingebaut werden können. Das wär ziemlich geil.

Gewinnspiel:

Studiocanal hat mir zwei Tschick-Pakete zur Verfügung gestellt: Einmal Roman plus Filmplakat und einmal Hörbuch (die Hanno Koffler-Version) plus Filmplakat.

Schreibt mir eine Mail (oder einen Kommentar) mit eurer Adresse, der Angabe, ob ihr lieber Hörbuch oder Buch haben wollt und sagt mir, auf welche Buchverfilmung wartet ihr noch?

Der Zufall entscheidet dann. Einsendeschluss ist Donnerstag 29. September 12 Uhr. Dann gehen die Pakete direkt raus. Die Adressen werden für nichts anderes verwendet und direkt danach wieder gelöscht. Viel Erfolg!