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Der Löwe Alexandro Lolo und die Prinzessin Marina Schmidt. Ein Schreibmaschinengeschichte.

Ich war in einem Kindergarten und durfte acht Vorschulkindern Schreibmaschinen näher bringen. Dabei entstand folgende Geschichte. Die Kinder lieferten die Ideen, ich habe sie lediglich zusammengeschrieben.

Es war einmal ein Löwe. Und es war einmal eine Prinzessin. Der Löwe hieß Alexandro Lolo und er war richtig böse. Er hatte scharfe Zähne und ein Stummelschwänzchen. Die Prinzessin hieß Marina Schmidt, sie hatte pinke Haare, ein lila Kleid und ein glitzerndes Schwert.

Ein Tages war Marina Schmidt gerade auf dem Weg durch ihr Prinzessinnenreich, als sie plötzlich ein Geräusch hörte. „Was war das?“, fragte sich die Prinzessin. Es war ein Grummeln und Beben. Marina Schmidt hatte Angst, sie wusste nicht, wer das Geräusch machte. Sie ging vorsichtig auf das Gebüsch zu, aus dem das Geräusch kam. Sie sah durch die Blätter und sah die scharfen Krallen eines Löwen. Der Löwe war wach und sah Marina Schmidt mit großen Augen an. Seine Krallen drückten sich in die Erde.

Mit einem schnellen Sprung war er auf den Beinen und griff Marina an! Marina zögerte keine Sekunde, sie zog ihr glitzerndes Schwert und hielt es dem Löwen entgegen. Der Löwe bremste gerade noch rechtzeitig ab.

„Hej!“, sagte der Löwe, „das ist unfair!“

Marina grinste und ihre pinken Haare leuchteten in der Sonne. 

„Lass mich in Ruhe“, sagte der Löwe. „Merkst du denn nicht, dass ich Schmerzen habe?“ – „Woher soll ich denn wissen, dass du Schmerzen hast?“

Alexandro Lolo jaulte auf. „Wenn ich Schmerzen habe, hat die ganze Welt Schmerzen.“ – „Also mir geht’s gut. Was ist denn los?“ – „Ich habe Bauchschmerzen. Ich habe heute Thunfischpizza gegessen. Mit Fleisch und Käse. Oliven gab’s auch noch. Und Salat und Nudeln mit Tomatensoße. Und dann gab’s auch noch Nachtisch. Pudding und Joghurt und Erdbeeren und Schokolade.“

Marina Schmidt lachte. Ganz arg.

„Da wundert’s mich nicht, dass du Schmerzen hast. Aber ich habe eine Idee. Im Schloss gibt’s ein Heizkissen und Sirup und Medikamente. Komm mit, dann hast du bald keine Schmerzen mehr.“

Straßenpoesie: Am 19.08 im Blutsgeschwister Stuttgart

Der L’aufbretzelsteg, Stuttgarts Blutsgeschwisterstore, wird zehn Jahre alt und das wird gefeiert. Mit Glitzer, Glamour und Konfetti. Mit Süßigkeiten und neuer Kollektion. Und mittendrin sitze ich, mit 60 Jahre alter Schreibmaschine und tippe euch Postkarten. Eure Worte, mein Kopf, eure Geschichte. Samstag, ab 16 Uhr. Kommt vorbei!

 

 

 

Straßenpoesie: Literatur unserer Generation

Jeder Buchstabe, nicht nur die meinigen, ein Schlag, jede Zeile ein heller Glockenton, eine unendliche Melodie, die zwar immer ähnlich, aber niemals gleich erscholl. Ein geschäftiges Treiben, man hörte die Spannung, die Arbeit, die Energie und in den seltenen Momenten von Ruhe, die winzigen Augenblicke, in welchen Niemand auf eine der 48 Tasten vor sich hieb, hörte man Gedanken wachsen wie das Gras. Wir arbeiteten nicht nur, wir erschufen.

Gegen Abend wurde die Melodie langsamer, manchmal sogar melancholisch. Die Menschen rieben die Fingerkuppen, streichelten die Sehnen und ließen die Knochen knacken.

Denn Literatur unserer Generation war kein federleichtes Gedicht, geschrieben auf Pergament mit dem schwungvollen Triumph einer Feder, sie war laut und dreckig, voller Schimpfwörter, sie tat weh und wir spürten sie noch nachts, wenn wir in Träumen auf unsichtbaren Tastaturen weiterhieben.

Aber wenn wir die verschwommenen Bilder der Demonstranten auf der Straße sahen, die Zeitungen verschmiert von der zu früh berührten Schwärze, wenn wir aus dem Fenster sahen, wo auf unserer Straße mehrere Banner gespannt waren, wenn wir unsere Parolen als Echo von den Häuserwänden widerhallen hörten, wussten wir, dass unsere Kunst nicht nur in unseren Köpfen war, sondern sich durch jeden Tastendruck heraus manifestiert hatte und real geworden war.

Geschrieben auf einer Hermes Baby.

Buch: The Typewriter Revolution

Durch meinen Typewriterspotting-Tumblr und die Straßenpoesie habe ich so einen kleinen Eindruck in die Welt der heutigen Schreibmaschinennutzer, die sogenannte Typosphäre. Ein großer Aktivist in dieser Szene ist Richard Polt, Philosophie-Professor an der Xavier University in Cincinnaty und großer Schreibmaschinenfan.

Er hat jetzt ein Buch rausgebracht, The Typewriter Revolution, quasi das Handbuch für den Schreibmaschinennutzer heutzutage. Die Geschichte der Schreibmaschine, ausgewählte Modelle, Nutzer heutzutage und vieles mehr, in einem sehr liebevoll gestaltetem Buch.

Ein guter Einstieg in die Welt von Schreibmaschinen, vom heutigen Zeitpunkt aus.

 

Der kurze Dienstweg. Ein Lob an die Bahn.

Das Problem, wenn man über „die Bahn“ meckern will, ist, dass man ja immer nur von „der Bahn“ sprechen kann und keine einzelne Person adressieren kann. Das wird besonders dann deutlich, wenn man im Zug sitzt und schon weiß, dass man den Anzug nicht erwischen wird und die Nacht irgendwie in dieser fremden Stadt verbringen muss, aber der Bahnangestellte, der dir das im Zug gesagt hat, kann ja auch nichts dafür.

Dies hier ist anders. Eigentlich sind es eine Handvoll Leute bei der Bahn, die ich loben möchte, aber ich habe keine Namen, also lobe ich „die Bahn“:

Heute Morgen, nachdem ich sie in vier verschiedenen Zügen immer wieder mitgeschleppt habe, vergesse ich eine meiner Schreibmaschine beim Ausstieg in Hildesheim. Mir fällt das in dem Moment auf, als der Zug langsam den Bahnhof verlässt. Ich also direkt zum Service-Center.

Ich: Ich habe gerade etwas in dem ICE vergessen.

„Die Bahn“: Dann fährt das jetzt wohl nach Berlin.

Ich: So siehts aus.

„Die Bahn“ nimmt einen Block und einen Stift in die Hand.

„Die Bahn“: Dann wollen wir mal sehen, was wir da tun können. Was haben Sie denn vergessen?

Ich: Eine Schreibmaschine.

„Die Bahn“ lacht.

„Die Bahn“: Eine Schreibmaschine. Sowas gibt’s noch?

Ich: Ja, ein paar gibt’s noch. Diese war eine Privileg, aber ich glaube nicht, dass so viele andere Schreibmaschinen in dem Zug sind.

Im Schnelldurchlauf: Ich erkläre, wo ich saß, „die Bahn“ ruft direkt im Zug an und übermittelt das. Dann schreibt sie sich meine Handynummer auf. Kurz darauf klingelt mein Handy.

„Die Bahn“: Ja, Herr Neidhardt, mein Kollege hat die Schreibmaschine bisher nicht gefunden, das hat jetzt auf dem kurzen Dienstweg nicht geklappt. Da müssen Sie sich jetzt an den Fundservice der Bahn wenden, tut mir leid.

Ich: In Ordnung, dennoch vielen Dank fürs versuchen.

Das Problem mit dem Fundservice ist folgendes: Ich glaube nicht, dass jemand die Schreibmaschine klaut. Sie wird höchstwahrscheinlich in den Händen „der Bahn“ landen. Aber eben nicht in Hildesheim, sondern in Berlin. Und wenn ich mir die Schreibmaschine schicken lassen muss, zahle ich pauschal 20 Euro. Das übersteigt den materiellen Wert, kommt an den ideellen bei weitem nicht ran. Ein Dilemma. Dennoch, erstmal die Suchanfrage abschicken und sehen was passiert. Eine Stunde später klingelt das Handy wieder.

„Die Bahn“: Herr Neidhardt, der Kollege hat die Schreibmaschine gefunden. Wir machen das jetzt so, eine Kollegin sitzt im Zug nach Hildesheim und wird die Maschine um 14:23 Uhr hier wieder abgeben, dann können Sie sie einfach abholen.

Ich bin also um 14:23 Uhr wieder am Bahnhof, nehme meine Schreibmaschine in Empfang und sage „der Bahn“ danke. Wie gesagt, eigentlich waren es einfach ein paar Mitarbeiter, aber ich betrachte das als Seite „der Bahn“, die man nicht so oft zu sehen bekommt. Die es aber verdient hat, gesehen zu werden.