Schlagwort: Slow-Watch (Seite 1 von 1)

Interview: Corvin & Chris, Gründer von slow

slow ist eine Uhr und eine Lebenseinstellung. Hier ist mein Langzeitbericht. Zusätzlich habe ich die Chance bekommen, mit zwei der vier Gründer von slow, Corvin & Chris, ein Interview zu führen, Viel Spaß!

Jungs, es freut mich, dass ihr Zeit für dieses Interview gefunden habt. Ganz aktuell, wie gehts euch, wie slow seid ihr gerade?

Die Freude ist ganz auf unser Seite! So slow wie man es sich erträumt hat, sind wir wahrscheinlich noch nicht. Dafür passieren einfach zu viele unvorhergesehene Dinge und es sind noch zu viele Details zu managen. Aber wir sind auf jeden Fall viel viel slower als vor der Gründung.

Auf eurer Seite erklärt ihr, wie ihr auf die Idee für die Uhren gekommen seid. Aber eure Uhren sind jetzt keine Software, die man mal nebenher programmiert, es ist ja ein großer Schritt so eine Firma zu gründen. Selbst, wenn man in der Szene ist. Was waren die wichtigsten Momente zwischen der Idee und den ersten fertigen Uhren?

Es ist richtig, dass eine Produkt- und Markenentwicklung kein Pappenstil ist, aber unsere langjährige Erfahrung hat schon sehr geholfen, zumindest weniger Anfängerfehler zu machen. Das Ganze war wirklich ein sehr iterativer Prozess mit vielen kleinen Schritten. Da gab es eigentlich keine echten Schlüsselmomente, aber das Photoshooting in New York, bei dem wir auch zum ersten Mal die Prototypen am Arm hatten, ist uns sicherlich allen sehr in Erinnerung geblieben. Dadurch wurde die Marke einfach viel konkreter und greifbarer.

Für wen sind die Slow Watches gedacht? An wen habt ihr gedacht, als ihr sie entwickelt und so konzipiert habt, wie sie heute sind? Und die Antwort „Für Alle“ gilt nicht.

Wir haben slow tatsächlich für uns entwickelt. Alles basierte auf unseren Empfindungen und Problemen mit dem heutigen Umgang mit der Zeit. Im Laufe des Entwicklungsprozesses haben wir dann aber festgestellt, dass die Idee wirklich von jedem geteilt wird und jede seine eigenen Gedanken zum slow sein hat.

Derzeit gibt es drei Modelle eurer Slow Watches. Wird es weitere geben? Auf was können wir uns in Zukunft freuen?

Grundsätzlich wollen wir die Marke und das Produktangebot sehr fokussiert halten. Eine Sache, die uns aber noch am Herzen liegt, ist eine Automatik-Version. Und die kommt Ende Juni!

Ich hätte noch einen weiteren Vorschlag: Eine Slow-Wanduhr. Könnten die was werden?

Wanduhren gefallen uns natürlich auch; allerdings sind auch wir bestimmten kommerziellen Anforderungen unterworfen und der Markt für Einzeigeruhren ist schon klein. D.h. das Potenzial für Einzeiger-24 Stunden Wanduhren ist nochmal bedeutend kleiner und damit wohl zu klein.

Warum gibt es keine slow-App für Smartwatches? Ist die analoge Uhr Teil des Konzeptes?

Wir wollen ja, dass die Leute eine slow Uhr und keine apple watch tragen. Ausserdem wollen wir dazu anregen, sich weniger von Technologie ablenken zu lassen. Es ist nicht gerade einfach, wirklich im Moment zu leben, wenn man ständig auf Smartphone oder -watch guckt.

Ganz ehrlich, ihr kommt zum Teil aus der Uhrenbranche, ihr habt schon immer Uhren getragen. Tragt ihr jetzt nur noch die slow Watches?

Natürlich tragen wir nur noch slow. Die Zeitanzeige ist ja auch mehr als ausreichend, denn genauer als +- 1-2 Minuten muss man die Zeit wirklich nicht lesen können. Wenn doch, dann macht man schon in Ansatz was falsch. Und wenn es mal hart auf hart kommt und es doch auf die Minute ankommt, hat man ja immer auch sein Smartphone dabei.

Auf den Uhren steht zwar „swiss made“, eure Firma sitzt aber in Hamburg. Ist das Zufall oder hat Hamburg für euch und die Firma eine größere Bedeutung?

In Hamburg haben wir ein Marketingbüro, da zwei der Gründer aus Hamburg kommen. Die Produktion in der Schweiz wird von Spezialisten gemanaged und läuft reibungslos. Zudem sitzen zwei der Gründer auch in der Schweiz.

Ist slow mittlerweile euer Leben? Oder gibt es noch andere spannende Projekte, in die ihr involviert seid?

Wir machen nur slow, planen aber noch weitere Uhrenmarken. Mehr Details gibt es hierzu allerdings noch nicht.

Sowohl das Einzeigerprinzip, als auch das 24-Stunden Prinzip, sind für sich genommen alte Konzepte für Uhren. Ihr habt diese miteinander verbunden. Wenn man aber nach Einzeiger-24-Stunden-Uhren sucht, findet man neben euren Uhren auch die von Botta. Also frage ich mit schweizer Akzent: Wer hat’s erfunden?

Das Konzept stammt ja von der ursprünglichen Uhr (der Ur-Uhr). Die ersten Zeiger-Uhren (meistens Kirchturmuhren), die basierend auf der Sonnenuhr entwickelt wurden, hatten ja alle nur einen Zeiger und stellten 24 Stunden dar. Das ist ja auch viel intuitiver, als die künstliche Trennung in zweimal 12 Stunden und dann in 60 Minuten. Und 1 Zeiger ist zweifelsohne auch einfacher als 2. Deshalb kann man hier sicherlich nicht von einer Erfindung sprechen. Es geht einfach darum, wie das ursprüngliche Konzept der Zeitanzeige von Marken interpretiert wird.

Drei Sätze zu den Stichworten Nachhaltigkeit und Ökologie.

Zunächst mal ist ein zeitloses Produkt wie ein slow, die viele Jahre getragen werden kann, per se schon nachhaltiger als Mode- oder Konsumgüter.
Bei der Auswahl der Materialien und Produktionsprozesse haben wir natürlich ein verstärktes Augenmerk auf ökologische Aspekte gelegt. So nutzen wir z.B. für unsere Leder nur natürliche Färbung ohne Chemie und keine Klebstoffe.
Zudem inspirieren wir unsere Kunden, slow zu leben. Alleine das grundsätzliche Bewusstsein, seine Zeit und Umgebung wert zu schätzen, führt auch zu einem bewussteren Umgang mit der Umwelt.

Das Streben nach Entschleunigung, Minimalismus und Fokussierung ist ein Kind unserer Zeit. (Nebenbei, werdet ihr all der Wortwitze über Zeit und slow irgendwann überdrüssig?) Was ist eure Vision, wie soll die Welt in Zukunft aussehen?

Zunächst mal zum einfacheren Teil der Frage: Die slow Uhr ist ja tatsächlich langsam, da sich der Zeiger nur halb so schnell, wie bei einer normalen Uhr bewegt. Insofern haben wir mit keinerlei Wortwitzen ein Problem.
Die Frage nach der Zukunftsvision zu unser Welt ist natürlich sehr viel komplexer und nicht so einfach zu beantworten: Auf jeden Fall sollten die Menschen Zeit nicht mehr als Feind ansehen, sondern sie wieder als knappstes Gut, das wir haben, wertschätzen. Wenn die Leute nicht mehr durch Leben hetzen, sondern es tatsächlich wieder leben, wäre schon eine Menge gewonnen (und wahrscheinlich, würde das auch viele weitere Probleme der Menschheit lösen).

Der Name dieser Seite, mokita, bedeutet „Die Wahrheit, die jeder kennt, aber keiner ausspricht“. Was ist ein mokita für euch?
Dass es nur den wenigsten gelingt, im Moment zu leben und sich die meisten gedanklich stets in der Vergangenheit oder Zukunft befinden, wodurch die Zeit eigentlich keinen Wert mehr hat.

Danke für die Zeit, euch alles Gute und auf bald!

Immer wieder gerne!

Das Gespräch hat per Mail stattgefunden.

Langzeitbericht: Die slow O

Zu der Zeit, als Smartphones noch Handys waren und nicht viel mehr konnten als Telefonie, SMS und Snake, habe ich mein Handy zum größten Teil nur in die Hand genommen, um auf die Uhr zu gucken.

Heutzutage, wenn ich auf mein Smartphone sehe, um auf die Uhr zu gucken, dann sehe ich auch sofort, ob ich von irgendwem irgendwo angeschrieben worden bin und, oh! da kam auch ne Mail. Und ist eigentlich was bei Facebook passiert? Ihr kennt das.

Ich finde das problematisch. Weil ich sonst keine Uhr trage, auch auf dem Nachttisch keine habe und dann Morgens oder Abends auf das Smartphone gucke, ich kann dann auch nicht widerstehen, zu gucken, was da gekommen ist, sobald ist sehe, dass was gekommen ist.

Deshalb habe ich mir irgendwann den Lies lieber ein Buch-Wallpaper auf das Smartphone geladen, um weniger am Telefon zu hängen. Was das Uhrzeitenproblem nicht löst. Gegen eine normale Uhr habe ich mich gewehrt. Ich dachte, sobald ich eine Uhr trage, habe ich die grauen Herren immer hinter mir stehen, dann bin ich vollkommener Sklave der Zeit.

Und dann bin ich auf die Uhren von slow gestoßen. Schaut sie euch an, verweilt einen Moment beim Zeiger. Dann seht ihr die Besonderheit.

Zwei Konzepte, die hier vereint werden. Zum einen sind die Uhren von slow Einzeigeruhren, nur die Stunden werden angezeigt. Zum anderen werden auf dem Ziffernblatt 24 Stunden abgebildet. Pro Tag kreist der Zeiger dieser Uhr nur einmal. Deshalb wird die Zeitanzeige leichter, weil nach kurzer Eingewöhnungszeit kann man auf den ersten Blick sehr schnell die ungefähre Uhrzeit erkennen. Das Ablesen der exakten Uhrzeit wird dagegen schwerer. Genau das ist das Konzept:

Bei einer slow Uhr geht es darum, sich auf das, was wirklich wichtig ist, zu konzentrieren. (…) Das 24-Stunden-Zifferblatt gibt euch einen perfekten Überblick des gesamten Tages. Das ist grundsätzlich anders als bei normalen Uhren und gibt euch so die Chance, ein besseres Bewusstsein für eben den ganzen Tag zu schaffen. Und wie ihr diesen angeht.

slow wirbt damit, dass diese Uhr unsere Leben verändern wird. Das Konzept und das Aussehen des jüngsten Modells, der slow O, haben mich neugierig gefragt und ich habe bei slow nachgefragt, ob ich die slow O ausführlich testen dürfte. Die Jungs sagten ja und nun trage ich die slow O 10 seit einem halben Jahr am Handgelenk.

Gerade diese Ausführung mit ihrem blauem Band ist auffällig, schon bevor man das Ziffernblatt sieht. Als sie auch noch ganz frisch aus der Packung kam, sah das Band auch zu krass, zu künstlich und dadurch extrem billig aus. Mittlerweile ist die Uhr eingetragen, Glas und Gehäuse haben ein paar Kratzer abbekommen und das Band hat seinen Vintage-Look, den es haben soll. Für einen meiner Art, der sonst keine Uhren trägt, fällt das Gewicht auf, das plötzlich am Handgelenk ist. Es ist ein gutes Gewicht, ein hochwertiges Gefühl, die Uhr zu tragen.

Ich habe ein paar Wochen gebraucht um mich an das Gewicht an meinem Handgelenkt zu gewöhnen. Und daran, die Uhr auch zu nutzen. Nach Jahren der Routine, in die Tasche zu greifen, um das Smartphone herauszuholen, muss ich mich erst selbst disziplinieren, auf das Handgelenk zu sehen. Aber irgendwann habe ich meine neue Routine, jetzt fehlt mir die Uhr, wenn ich sie nicht am Handgelenk habe. Und sie macht genau, was mir versprochen wurde: Sie nimmt Geschwindigkeit heraus.

Bei jedem Betrachten der Uhr erinnert sie mich, dass es gar nicht so wichtig ist, wieviel Uhr es ist. Manchmal betrachte ich sie auch einfach, weil ich sie sehr schön finde. Und zeigt tatsächlich den ganzen Tag. Zeigt mir, wann im Tag ich stehe.

Natürlich gibt es genügend Momente, bei der ich eine exaktere Uhrzeit brauche, besonders als Pendler, der viel in der Bahn sitzt. Und wenn ich dann aufs Handy gucke, dann gucke ich immer noch, was sonst so passiert. Aber ich gucke grundsätzlich weniger aufs Handy.

Problematischer ist es, wenn ich vor dem Computer sitze. Dort ist immer die genaue Zeit eingeblendet. Dafür wünschte ich, es gäbe eine slow-Wanduhr. Ich frage die Jungs mal, ob das geplant ist. Genauso spannend wäre es, ob auch eine Automatikuhr geplant ist, was die Uhren auf ein weiteres Level heben würden.

Was sich als überraschend schwer herausgestellt hat, ist das Uhrzeit stellen.

Gerade weil die Uhrzeit so grob ist, ist das genaue Stellen sehr wichtig, weil sonst aus „etwa“ einfach „falsch“ wird. Aber nach ein paar Versuchen hat auch das geklappt.

Immer noch werde ich regelmäßig auf die Uhr angesprochen, besonders, wenn jemand auf ihr die Uhrzeit zu lesen versucht und erstmal irritiert ist. Aber sobald sie es verstehen, sind sie fasziniert. Ich bin es immer noch. Täglich erinnert mich die Uhr am Handgelenk daran, weniger auf die Zeit zu achten. Paradox, aber es funktioniert wunderbar.

Die Uhren von slow werden euer Leben nicht automatisch ändern, aber sie helfen euch dabei, es selbst in die Hand zu nehmen.

Vielen Dank an die Jungs von slow für das Bereitstellen des Testexemplars!