Du auch, ja?

Jakob ist tot. Jakob war ein Freund meines Vaters und heißt nur für diesen Text so. Er war nur etwa 15 Jahre älter als ich und hatte schon immer nicht so viel Glück, was das Soziale, die Arbeit oder das Leben anging. Aber die Musik! Darüber lernten mein Vater und er sich kennen, sie spielten bei uns im Musikzimmer.
Manchmal kam er, auch wenn mein Vater nicht da war. In seiner Mietwohnung konnte er nicht so laut sein wie bei uns im Haus. Dann sagte er kurz Hallo und wir redeten oberflächlich, aber nett, bevor er nach unten ging. Jakob hatte psychische und physische Probleme, die ihn begleiteten, solange ich ihn kannte.
Dann schrieb mein Vater Mittags in der Familiengruppe, dass Jakob gestorben sei, mehr wisse er nicht. Abends kam ich vorbei, die letzte Station einer längeren Reise, bevor es für mich nach Hause ging. Ich umarmte meinen Vater zur Begrüßung, hielt ihn ein wenig fester als sonst und sagte, es tut mir so leid. Mein Vater, den ich wirklich selten habe weinen sehen, verkrampfte sich und schob mich weg. Schon okay, sagte er, drehte sich um und ging in die Küche. Ich hinterher, mit Abstand und Pause. Weißt du denn schon mehr?
Nein, sagte er, ich rief an und sein Bruder war am Telefon. Sie wissen auch nicht mehr.
Wieder Schweigen, dann fragte er, wie die Reise war und für etwa eine Stunde redeten und lachten wir, fast so wie wir es immer taten. Nur, dass er manchmal stockte und sagte, Entschuldigung, ich bin ein bisschen traurig. Ich nickte dann immer, verständlich. Soll ich dich in Ruhe lassen? Aber er schüttelte den Kopf und wir redeten und lachten weiter.
Nach einer knappen Stunde suchte ich mir einen Zug und fragte, ob es okay ist, wenn ich den nehme. Oder soll ich noch dableiben? Er schüttelte nachdenklich den Kopf, alles Okay, ich muss das erstmal verarbeiten.
Aber während ich meine Schuhe anzog, stand er plötzlich auf der Treppe, meinte, ich begleite dich zum Bahnhof. ich sagte, wenn wir stramm laufen, dann gern. Wenn ich schnell laufe, brauche ich normalerweise 16 Minuten, wir hatten noch 18. Mein Vater nickte und wir liefen los und waren kaum aus dem Haus, als er begann.
Ich rief an, weil ich eine Woche nichts von ihm gehört habe. Und dann war sein Bruder dran, was mich schon überrascht hat. Und er sagte mir, Jakob sei verstorben, wohl irgendwann am Wochenende. Sie wissen noch nicht woran, aber sie halten mich auf dem Laufenden.
Irgendwann sage ich, das fühlt sich für mich alles nach Selbstmord an. Mein Vater nickt, ja. Aber er hatte mir versprochen, das nicht zu tun.

16 Minuten später sind wir am Bahnhof, haben in der Zwischenzeit über Jakob und sein Leben geredet und dann kommt der Zug. Wir umarmen uns und ich sage in der Umarmung, Papa, wenn was ist, dann melde dich. Er nickt und sagt, du auch, ja?

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